Zu Gast in der Hoelle. Oder: Very very bad vibes.

„Welcome to Tonsai. Sie verlassen den kapitalistischen Sektor“ „Hey girl. Sit down, have a drink. What’s your favorite? Margarita, Pina Colada? You will see, this is paradise here. The shit you can buy in every bar, very cheap, and police never comes here. And later we will party hard, with fire show and flashline dancing and we are all gonna get really pissed off our minds and stoned and have so much fun. So what you want now, beer? Sex on the beach?” Dein Paradies ist meine Hoelle, Arschloch. Gib mir n Kaffee. „Wanna see the room?“ Ja. Durch den Hinterhof. Oder den Vorhof. Der Hoelle. Vorbei an Dreck, Muell- und Schrottbergen. „The earth laughs in flowers“. Vor uns reihen sich abrissreife hoelzerne Bruchbuden, dicht an dicht, die im Wahn herzloser Raffgier im Schnellverfahren gleichgueltig in die Ecke geknallt wurden. Irgendein Volldepp wird schon Geld dafuer hinblaettern. Ich bin nervoes. „Here. Very cheap. Take it?“ Fuck it. Mir ist alles egal. Ja. Auf der Matratze krabbelt eine faustgrosse Kakerlake. Sorry, dass ich stoere. Beim Einschalten des Ventilators weht mir der Uebelkeit verursachende Schweissgeruch des zerfetzten, wohl ehemals rosafarbenen Moskitonetzes in die Nase, das dort seit Jahrzehnten vor sich hinschimmelt, ohne jemals in den Genuss einer Reinigung gekommen zu sein. „Enjoy your magic moment.“ „Das gute an Tonsai Beach ist, dass es hier so gut wie keine Touristen gibt.“ Ich blicke mich um und sehe eine hedonistische Spassgesellschaft, die ihre Erfuellung in Alkohol, Drogen, Sex, Rockclimbing und Sonnenbaden findet. Ein Rudel halbtoter Life is a party life is a beach Junkies haengt verkatert vor der Glotze und laesst seine verkuemmerten Sinne mit dem bemitleidenswerten Schwachsinn niveauloser Hollywood Blockbuster berieseln. “This is your life. Do what you love and do it often.” Oberkoerperfreie Rastablondies praesentieren ihre daheim im Fitnessstudo antrainierten Sixpacks auf Flashlines balancierend und imponieren Hotpantstragenden Baticprinzessinnen, die sich als Hippieerkennungsmerkmal laecherlich anmutende Piratentuecher um das von Salz und Sonne verblichene Haar gewickelt haben. Chicks are like Boomerangs. No matter how far I throw them, they keep coming back.” „Keine Touristen. Whats all these people then? And what are u then? And what am I then?“ „Oh thats not tourists, thats travellers. We are backpackers you know. The tourists stay at Railey Beach.” Anstatt der Blumengirlanden aus Plastik traegt man in Tonsai als Eintrittsstempel Lotusblumentattoos aus Bambusnadeln. Alles in meinem Koerper rebelliert. Abends konsumieren sie in der Chill Out Bar fuer kleines Geld ihre alltaegliche Gluecksration in Form von Bongs und billigen Cocktails. Schwelgen im paradiesischen Rausch, der unbekuemmerten Wonne der simple minded. “Stop dreaming your life. Live your dream.” „Yesterday I had some X, man, that was amazing, I am still completely out of my mind, so fucking amazing.” „Fly free like a bird.“ “Oh man, in Chang Mai we had a really great time. The hostel was awesome, really cool people there, so we just got fucking drunk every fucking day, hardly ever left the hostel man.” “Cool! What was the name of that place? Gotta check that out when I get there.” “Oh yeah, and this one night, we went out actually getting really fucking drunk, and ended up carrying this crazy guy home, he was so pissed off his mind that he couldn’t walk anymore so he crashed into the window of one of the shops we passed by and the entire glass cracked, that was hilarious man! And then the local shop owner came and wanted us to pay 3000 bath for the broken glass!!! So we just ran and got the fuck outta there! What a great fucking night man.” People laughing. „People do not decide to become extraordinary. They decide to do extraordinary things.” Auf meiner Haut, einst vom Sungai Bahorok verjuengt und rein gewaschen, bilden sich Falten und rote Pusteln. „Come to the edge I said. No, we’re afraid. Come to the edge. No, we’re afraid we will fall. Come to the edge I said again. And they came. And I pushed them. And they flew. ” Ich habe Blasenentzuendung und Durchfall. „Live and let live. Go vegan! Go!“ Alle 2 Minuten muss ich auf Toilette. Ich kaempfe mit der konstanten Uebelkeit. „Monday means nothing in Paradise“ Ich weiss nicht, ob ich fiebere, oder ob es die untertraegliche Hitze ist, die meine Koerpertemperatur nach oben schiessen laesst. „Mein ganzes Leben war ich auf der Suche nach einem bestimmten Menschen. Und ich fand diesen Menschen hier in Tonsai. Mich selbst.“ Meine Haare fallen mir aus. Als ich versuche, die Haarbueschel von der verschwitzten Schulter zu entfernen, stolpere ich ueber einen verfickten Stein. Es reisst mir den linken Zehennagel aus dem Fleisch. Ich blute wie ein abgestochenes Schwein. Fuck. Fuck your paradise. Ich verfluche diesen Ort. Ich koennte alles kurz und klein und klein und kurz schlagen. Zwei betrunkene Amerikaner mitte 50 linsen aus ihrem Bierglas zu mir rueber. „Hey girl, are you alright there?“ „Well what (the fuck) does it look like?! (arseholes!)” Sie torkeln mit mir ins Dream Valley Resort („Tonsai, where your dreams become reality“ – my fucking nightmares, yeah.) zu Tina und Dicky, US-Amerikanischen Einwanderen, die dieses kleine himmlische Luftschloss ihr eigen nennen. Tina traegt Bikini (pink). Eng ansitzende camouflagefarbene Leggings. Ihr von zu viel Sonneneinstrahlung, Alkohol- und Zigarettenkonsum vorzeitig gealtertes Gesicht wird von einer wasserstoffblonden Kurzhaarfrisur aufgepeppt. Dicky traegt Badeshorts aus den 80ern und eine markante rote Brille. Weisse Haare. Kurz. Kein Tattoo. Goldkette. Er raucht Ganja und bruetet ueber den Hotelrechnungen. „Tina, Dicky, we have a young injured German lady here with us, you think, you can give her a helping hand can you?“ Ich werde bereitwillig verarztet. Ich bedanke mich aufrichtig und hoeflich. Sorry, what’s that? „Dicky is wondering if you need a joint to get over the pain.“ Ich bedanke mich aufrichtig und hoeflich. Und gehe. Ich kann nicht schreiben. Ich bin ausgelaugt. Hier ist es furchtbar. Ich vermisse Sumatra. Ich vermisse das beruhigende Rauschen des Flusses. Ich vermisse meine Junglebrothers. Und all die liebenswerten Gestalten. Karim Dedi Izoen Ifan. AnggaIboOngatRioFreddyAndi! Edu. Nanda. Iqbal. Remy. Tedy. Roy. Rita. Sarah. Youssef. Chris. Donnie. UND DIE FRUTARIANS! Ich hasse diesen Ort. Ich hasse alles, fuer das er steht. Ich hasse das, was die Menschen hier Glueck nennen. Ich hasse das oberflaechliche Bullshitgequatsche spassgeiler Flachwichser, die mit Drogen und Alkohol versuchen, voruebergehend ihrer bemitleidenswerten Existenz zu entfliehen. Ich hasse die Respektlosigkeit. Ich hasse die Blindheit, mit der sie die Schoenheit und Unschuld dieses Ortes missbrauchen und sie lachend im naechtlichen Lagerfeuer verbrennen. Wie sie Gottes Geschenk mit Fuessen treten. Und darauf spucken. Ohne es zu merken. Ich schaeme mich fuer meine Kultur und meine Wurzeln. Ich schaeme mich so sehr, dass ich kotzen muss. „Have a good journey! See you again next year!“ Fuck you.

 

 

Sorry. Vielleicht bin ich zu drastisch.

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