Tarutao. Oder: Das geheimnisvolle Eiland. Tag 1.

„Koh Tarutao, Thailands geheimnisvolle Insel“.“...Insel touristisch nicht erschlossen...“ ...“...lange Zeit unbesiedelt. Treibsand, Malaria, die rauhe Kueste mit ihren scharfen Felsformationen und die Vorherrschaft von Piraten liess Seefahrer einen grossen Bogen um das Eiland machen...“...“..Im Gegensatz zu dem beliebten Urlaubsparadies Koh Lipe scheint die Nachbarinsel Tarutao ausgestorben...“...“Auf Grund der abgeschiedenen Lage fungierte Tarutao als Konzentrationslager fuer politische Gefangene.“...“Von 1942-1978 galt Tarutao als Hoelle im tiefen Ozean. Eine Gefaengnisinsel auf der Folter, Hunger, Durst und Tropenkrankheiten die Anzahl der Gefangenen innerhalb von 2 Jahren von urspruenglich 3000 auf 1200 sinken liess. Das tiefe Haifischverseuchte Meer machte eine Flucht unmoeglich. In den Binnengewaessern tuemmeln sich Krokodile und Wasserschlangen. Die unertraegliche Hitze und menschenunzumutbare Witterungsbedingungen machten Leben und Zwangsarbeit auf der Insel zur taeglichen Hoellenqual.“ ...„Durch die Kriegswirren wurden die Häftlinge, als auch ihre Bewacher vergessen, und so organisierten diese gemeinsam eine brutale Piratenexistenz mit Überfällen auf den regionalen Schiffsverkehr...“... ...“...diente den Piraten als Ausgangslager fuer ihre blutigen  Ueberfaelle...“...“Heute sind eine Hand voll Parkranger die einzigen Bewohner der Insel“...“Der Nordosten der Insel ist unerschlossen und wird von den Rangern nicht patroulliert. Es heisst, dass Mafiosi und Drogenbosse das Gebiet fuer sich beanspruchen“ ... „Groesstenteils von undurchdringbarem Dschungel bedeckt. Die Bergspitzen nicht selten von dichten Nebelschleiern verhangen“...“Keine Infrastruktur. Strom nur fuer wenige Stunden am Abend vorhanden. Campen moeglich.“ Das reicht mir. Koh Tarutao scheint mir the place to be zu sein. Ich schultere meinen Rucksack und mache mich auf. Die Hitze ist unertraeglich. Unbarmherzig wie ein hungriger Vampir saugt sie mir den Lebenssaft aus jeder einzelnen Pore. Ausser einem italienischen Paerchen aus Rom, bin ich die Einzige, die das Boot auf Tarutao verlaesst. Der Rest der Passagiere – eine Mischung aus rot gebrannten Pauschaltouristen, jungen Europaerinnen in Hotpants und Selfiefanatischen Lokaltouristen – setzt die Fahrt nach Koh Lipe fort. Am Bootssteg doest ein Ranger in Militaeruniform. „Aeh. Hallo. This Tarutao?“ „Tarutao!“ Er spuckt das Wort aus, wie einen Rotzklumpen, der ihm die Atemwege blockiert.„Aehm. Gibts hier sowas wie Zelte?“ Keine Regung. „...oder so?“ Mit dem Zeigefinger deutet er gen Strand, auf dem eine Hand voll verlassene camouflagefarbene Militaerzelte im Wind flattern. Indem er mir den Ruecken zukehrt, macht er mir unmissverstaendlich klar, dass unsere Konversation hiermit beendet ist. Ich folge dem staubigen, von jahrzehntelanger Sonneneinstrahlung verblichenem Asphaltweg und verstaue mein Gepaeck. Die Brandung faucht bedrohlich, wie ein Raubtier kurz vor dem Angriff.

 

Der westliche Teil Tarutaos ist umgeben von felsiger Steilkueste, deren gewaltige Wand vereinzelt von kleinen verborgenen Buchten durchbrochen wird. Ich folge dem Pfad in suedliche Richtung. Nach kilometerlangem Marsch erstreckt sich vor meinen mueden Augen ein verlassener Sandstrand, der sich ueber Meilen hinweg einsam an der Kueste entlangschlaengelt. Der weisse Sand flimmert in der Mittagshitze. Ausgestorben. Ein paar Krebse schieben kleine runde Sandbaellchen aus kleinen Loechern im Erdboden. Braune quallenartigen Glibberkugeln ziehren das Strandbild. Aus den Fluten kaempfen sich Schildkroeten den Weg landeinwaerts zu ihren Brutstaetten. Im Flussdelta lauert ein einziges Krokodil geduldig auf Beute. Ueber meinem Kopf kreisen Seeadler. „THIS IS CRAZY!!!“ rufe ich aus Leibeskraeften. Keiner hoert mich. „Craaazzzyy!!!“ crazy crazy zy zy zy hallt das Echo aus dem Dschungel. Ich bin allein. Meine Fussabdruecke sind die einzigen Spuren im Sand. Der Dschungel auf Tarutao erstreckt sich von den Straenden an der Kueste bis weit hinauf ueber die Berge hinweg ins geheimnisvolle Hinterland. Aber das hier, das ist nicht der Dschungel, wie ich ihn kenne. Der Dschungel hier ist anders. Wild und unberechenbar. Fremd und furchteinfloessend. Bedrohlich. Dort oben in den Bergen lauert etwas. Ich kann es spueren. Es macht mir Angst. Die Seeadler, die weit oben ueber meinem Kopf ihre Kreise ziehen, werfen unruhige Schatten auf den Sand.

 

Auf dem Weg zurueck zu meinem Zelt habe ich einen Platten. Ich schiebe das Rad 8km ueber Steilhaenge und enge Dschungelpfade. Die Hitze macht mir zu schaffen. Der Schweiss laeuft mir in Baechen den Koerper hinab. Mein Wasser laengst verschwendet. Nach und nach entledige ich mich eines Kleidungsstuecks nach dem anderen, bis nur noch Bikini und Tshirt uebrig bleiben. Ich koennte genausogut nackt herumlaufen. Die menschliche Spezies hier ist rar. Ausser den Affen kreuzen lediglich ein paar Tukane und eine Wildsau mit Jungen meinen Weg. Ich hoffe, dass ich mein Zelt vor Dunkelheit erreiche. Denn das, was mir Angst macht, sind nicht die Schlangen. Auch nicht die Affen oder die Drachenechsen. Wovor ich mich fuerchte, sind eben die wilden Schweine, die, tagsueber durch die Hitze in lahme Traegheit versetzt, sich des nachts in hungrige Bestien verwandeln, die auf alles Jagd machen, das es wagt in ihr Territorium einzudringen. Die Schweine, urspruenglich Hausschweine, wurden im Jahre 1942 gemeinsam mit den Gefangenen auf die Insel gebracht. Angetrieben von einem natuerlichen Ueberlebensinstinkt gelang es Einigen damals, den todbringenden Messern aus der Gefaengniskueche zu entkommen, und sie fristen seitdem ein wildes Darsein in den Tiefen des Dschungels. Ueber die Generationen hinweg entwickelte sich daraus eine neue aggressive und ueberlebenserprobte Schweinsgattung, halb Haus-, halb Wildschwein, die heute in hungrigen Horden durch den Dschungel streift.

 

Abends am Lagerfeuer berichtet das italienische Paerchen von einem Franzosen, der in Borneo auf einem Dschungeltreck von einem Waran gebissen wurde. Der Guide laesst den Mann allein und laeuft los, um Hilfe zu holen. Als er zurueckkehrt, sind ein paar Fingerknochen das einzige, was von dem Mann uebrig geblieben ist. „You know, the warans, when they bite, they dont kill you straight away. Their teeth are poisoned with millions of deadly bacteria, so they bite you and then they wait. Until you are done. They watch you dying. Then masses of them are coming, eating you within seconds leaving nothing behind apart from one or two cracked bones and a fingernail maybe.“

 

Ein schwarze Wolke schiebt sich vor den Mond, dessen milchiger Schein sich im Meereswasser spiegelt. Ich kann meinen Blick nicht von ihm lassen. Auf dieser Insel ist es uneinheimlich. Das Abenteuer ruft dich.

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