Tarutao. Oder: Das Geheimnisvolle Eiland. Tag 2.

Ich bahne mir meinen Weg durch den dichten Dschungel. Wie Wuergeschlangen schlingen sich die Wurzeln um meine Fuesse und versuchen, mich mit jedem Schritt, den ich tue, zu Fall zu bringen. Giftige Pflanzen strecken ihre mit Dornen besetzten Arme nach mir aus, warten darauf, mir ihre messerscharfen Wiederhaken ins Fleisch zu bohren, in dem Moment, in dem ich stolpere. Parasitaere Schlingpflanzen strangulieren die Urwaldriesen. Umgestuerzte Baumstaemme versperren mir den Weg. Als wollten sie eine Warnung aussprechen. Bis hierhin und nicht weiter. Geh zurueck, wo Du hergekommen bist. Doch es gibt kein zurueck. Hinter mir spinnen die Spinnen ihre Netze ueber den Pfad, als handelt sich um ein alt eingespieltes Spiel. Gekonnt verwischen sie meine Spuren, erwecken das Trugbild, als sei hier seit Wochen kein menschliches Wesen entlang gekommen. Es ist ruhig. Totenstille. Einzig das Plaetschern des Flusses vermittelt Dir das Gefuehl, dass es Leben in diesen finsteren Tiefen des Waldes gibt. Der beissende Geruch von Verwesung dringt mir in die Nase. In den Waeldern schlummert etwas, dass sich ueber die Insel ausbreitet, wie ein duesterer Schleier. Ich merke es an den Affen, die in Angriffshaltung gehen, anstatt auszuweichen, wenn sich unsere Wege kreuzen. Ich merke es an den Drachenechsen, die hier groesser und bedrohlicher sind, als alles, was ich bisher gesehen habe. In diesem Wald sind die Schlangen nicht Deine Freunde. Die Schreie der Voegel sind markerschuetternd und furchteinfloessend.

 

Zurueck im Lager erkundige ich mich bei einem der Parkranger nach den Piraten. Er wendet seinen Blick nicht vom Ozean ab. Als ich schon nicht mehr mit einer Reaktion rechne, faehrt er sich mit einer abrupten Handbewegung ueber die Kehle. „All execution. No one left.“ Ah ok. „All execution! All dead.“ Jo, verstanden. „No one left!“ Als ich mich entferne, hoere ich ihn lachen.

 

Abends sitze ich mit dem italienischen Paerchen unter dem flackernden Neonlicht der Essensausgabe. Waehrend ich im Dschungel war, haben sie sich in dem einzigen buddhistischen Schrein auf dem Eiland von Steinen die Zukunft vorhersagen lassen. Carlo:“ My future is not so good, they said.“ Monica:“ Yeah, not so good, but also not so bad.” Carlo:” Well, I didn’t really get it, the translation, but it said something like, in future something will sting me or bite me or something like that, so I should watch out.” Das flackernde Licht tut seinen letzten Atemzug und stirbt endgueltig. Wir sitzen allein in der Dunkelheit. „I am really scared now, you know, something will sting me“. Ich reiche Carlo einen Zahnstocher. „Komm, bring es hinter dich. Stich dir damit in den Arm und es ist erledigt.“ „Ich weiss nicht, meinst Du, wir koennen die Zukunft einfach so ueberlisten?“ Monica: „Come on, just do it, and its over.“ Das Licht flackert wieder auf. Carlo rammt sich den Zahnstocher in den Unterarm. Wir sind alle erleichtert, dass sich die boese Vorhersage so einfach und ohne groessere Verletzungen abhandeln liess. Erneut Dunkelheit. In dem Moment, in dem die Elektrizitaet zurueckkehrt, stoesst Carlo einen von Schmerz erfuellten Schrei aus. Kurz unter seinem Ellenbogen pulsiert ein schwarzer Stachel, etwas groesser als ein Stecknadelkopf. „Fuck this shit! This hurts!!!it hurts!!! Fuck!!!“ „What was it, what was it?“ “Keine Ahnung, ich glaub, eine dieser scheiss Hornissen!Man, it hurts!“ Monica saugt ihm das Gift aus den Venen. Anschliessend versenkt Carlo das Einstichloch mit der Flamme seines Feuerzeugs. Es ist wieder dunkel. Schweigend sitzen wir an unserem Holztisch und lauschen der Brandung. An diesem Abend haben wir alle ein Lektion gelernt. Huete Dich. Fordere Dein Schicksal nicht heraus. Dicht ueber unseren Koepfen kreisen die Fledermaeuse.

 

 

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