Tarutao. Oder: Das geheimnisvolle Eiland. Tag 3.

Die Italiener verlassen die Insel. Ich beschliesse zu bleiben. Das Eiland hat mich in seinen Bann gezogen. Ich muss unbedingt herausfinden, was sich auf der anderen Seite der Insel befindet. Ich erkundige mich bei dem Ranger. Wie ueblich laesst die Reaktion auf sich warten, und die karge Antwort kommt dann, wenn man schon fast nicht mehr damit rechnet. „Old prison. 12km. Not easy to reach. Before only reach by boat.“

Je weiter ich gen Nordosten vordringe, desto dichter wird der Dschungel. Desto dunkler wird es um mich herum. Kaum ein Sonnenstrahl findet noch seinen Weg auf den Erdboden. Ich weiss nicht, wieviele Stunden ich bereits unterwegs bin, als ich auf eine marode Holzbruecke stosse. Die Planken sind herausgebrochen. Das, was noch von dem Holz uebrig ist, wurde vor Jahrzehnten mit inzwischen durchgerosteten Naegeln zusammengeflickt, ohne dass sich hierbei irgendeine Form von System erkennen liesse. Das modrige Wasser im Tuempel zeigt keine Regung. Aus dem Sumpf wachsen graue Baeume, die in einem Zustand unendlicher Traurigkeit ihre knoechernen Aeste in das braune Gewaesser haengen lassen, als handele es sich um die Arme laengst verschiedener Geister. Sie erwecken den Anschein, als haette man ihnen vor langer Zeit all ihren lieblichen Lebenssaft aus den steifen Koerpern gesogen, und sie auf Ewig dazu verdammt ein zombihaftes Schattendasein in den totbringenden Tiefen des Sumpfes zu fristen. Ich passiere die Bruecke. Vor mir liegen die Ueberreste einer alten Ruinenstadt. Der Dschungel ist hungrig. Das, was ihm einst von Menschenhand genommen ward erobert er sich mit 100facher Gier zurueck. Durch die Fenster des zerfallenen Krankenlagers dringen die Schlingpflanzen und erdrosseln die alten Fensterrahmen. Eine umgekippte, von Moos ueberzogene Steinstatue liegt im Laub vor der ehemaligen Eingangstuer. Die Splitter des abgebrochenen Schaedels liegen verstreut in etwa 3 Meter Entfernung. Kraeftige braune Pilzgewaechse lassen die ehemaligen Eingangsstufen zerbersten. Eine von Gruenpflanzen ueberwucherte Holzpritsche liegt verlassen in der Ecke des zermuerbten Gemaeuers. Als ich die Ruine betrete, faucht mich ein Affe an, der sich auf den letzten verbliebenen Holzplanken niedergelassen hat. Dort, wo einst das Schlaflager war, haben Termiten ihre Festungen gebaut. Die Oberschenkeldicken Arme der Lianen reichen von der Decke bis auf den Erdboden.

„In the health unit, nurses and nursing aids took advantage of the sick prisoners by extorting cash or valuables from them and threatening to delist them from hospital to join the hard labor list. Extracting patient’s gold teeth was a common method to make profit out of the nursingbusiness. During WWII doctors and nurses were transferred out of Tarutao prison and the sick prisoners left to themselves. Between 1942-1945 approximately 1200 people died in the health center and its surroundings.” Ein gottverlassener Ort. Hinter der Steinstatue windet sich eine Cobra. Mir stellen sich die Nackenhaare auf. Ich verlasse das „Health Unit“ und setze meinen Weg durch das verlorene Dorf fort.

 

Das Gewitter kommt wie aus dem Nichts. Gegen 13:00 Uhr verdunkelt sich der Himmel schlagartig. Weisse Blitze durchzucken die schwarze Wolkenwand. Der Platzregen verwandelt die Dschungelpfade innerhalb von wenigen Sekunden in reissende Fluesse. Schutzsuchend kauere ich mich in ein hoehlenartiges Gewoelbe und klammere mich an die Hoffnung, dass Gewitterstuerme in den Tropen in der Regel genauso schnell und ueberraschend verfliegen, wie sie ueber dich hereinbrechen. Ich hocke im Dunkeln und warte, bis mir jegliches Zeitgefuehl abhanden gekommen ist. Nach einer Weile verstummt der Regen. Es ist still. Das Unwetter scheint vorbeigezogen zu sein. Um mich herum ist es schwarz. Ich versuche den Weg zurueck zum Ausgang zu finden. Es ist so dunkel, dass ich meine eigene Hand vor Augen nicht erkennen kann. Ich bin mir sicher, hier war der Ausgang. Doch da ist nichts. Kein Licht. Stattdessen stosse ich gegen eine schwere Holztuer, die sich zwischen mich und dem Weg nach draussen stellt. Die war vorher nicht da. Das weiss ich mit Sicherheit. Die Tuer ist verschlossen. Ich werfe mich mit meinem vollen Gewicht gegen das schwere Holz. Ein zartes Aechzen, doch die Tuer weicht keinen Zentimeter. Ich bin gefangen. Mal wieder ein Schlamassel der uebelsten Sorte. Fortsetzung folgt...

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