In der Hoehle

Die Hoehle ist riesig. Ich befinde mich in einer Art Saal. Ueber Jahrtausende gewachsene Tuerme aus Stein ragen wie Saeulen aus dem Hoehlenboden, der von einer rutschigen Schlammschicht ueberzogen ist. Mit jedem Schritt, den ich tue, riskiere ich einen Genickbruch. Ich wandle durch eine versteinerte Stadt. Alles, was hier einst lebte: versteinert in laengst vergessenen Zeiten. Das Licht meiner Fackel brennt ruhig. Kein Luftzug findet seinen Weg in die Finsternis. An den Hoehlenwaenden wachsen riesige steinerne Pilze, die im Schein meiner Fackel geheimnisvoll glitzern. Uralte Bergkristalle. Von der Decke ragen Speere aus Stein. Wenn ich das hier ueberleben will, muss ich meinen Weg durch ein riesiges schwarzes Labyrinth finden, in dem es 1000 Abzweigungen gibt, 1000 Irrwege, in dem ein Gang aussieht, wie der andere, und nur einer wird mich aus der Schattenwelt heraus ins Licht fuehren. Ein unendliches Try and Error Spiel mit nur einer Loesung. Ein Spiel, in dem jede falsche Entscheidung das Ende bedeutet. Denn wenn du dich verirrst, fuehrt es Dich tief hinein, in das schwarze verwunschene Reich des Berges, und wenn Du einmal dort bist, gibt es kein Entrinnen mehr, denn alles Leben dort wird zu Stein. Kalt, tot, steinern. Drum entscheide bedacht und mache keinen Fehler. Remys ruhige tiefe Stimme erklingt in meinem Kopf:“ Always follow your heart. If you follow your heart, is ok.“ Auf den Felswaenden sitzen reglos handgrosse schwarze Spinnen. Ich frag mich, wovon sie sich ernaehren. Mi-ma-menschenfleisch? Wohl kaum. Ich wate durch glasklare Hoehlenseen, die von kleinen farblosen Fischen bewohnt werden. Das Wasser ist eisig. Es ist still. Unvorstellbar unertraeglich still. Die Stille legt sich wie ein schwarzer samtener Schleier ueber das Gewoelbe und erdrueckt dich. Sie macht dich verrueckt. Zu klar und zu deutlich bahnt sich der Laut deiner Schritte seinen Pfad durch die dumpfe klanglose Unendlichkeit. Zu klar und zu deutlich erklingt der Laut fallender Wassertropfen, wenn sie den Hoehlenboden beruehren. Und dann – ich glaub ich spinne – befinde ich mich in einer Bobbahn. Aus Stein natuerlich. Links und rechts von mir formen sich die Hoehlenwaende zu einer, wie von Menschenhand geschaffenen Rutschbahn, die sich steil abfallend ins bodenlose Nichts schlaengelt. Ich folge. Was bleibt mir anderes uebrig. Obacht! In einem Affenzahn jagt ein metallener schweizer Bob an mir vorbei, gesteuert von zwei weissauegigen Thomas Leaf Monkeys mit gelben Helmen! Hinter ihnen ein Feuerschweif! Kann ja wohl nicht sein. Meine reizdeprivierten Sinne hyperventilieren. Ich folge dem Feuerschweif tief in den Berg hinein. Wo ich zuvor noch aufrecht stehen konnte, muss ich nun gebueckt gehen, teilweise kriechen. Die Waende der Hoehle kommen so nah, dass sie kaum noch Raum zum Atmen lassen. Zu meinen Fuessen bewegt sich etwas. Im fahlen Licht der Fackel krabbeln Scharen kakerlakenartiger Hoehlenkaefer, die ihre langen Fuehler nach dem Lichtschein ausstrecken. Ausflippen oder nicht auflippen? Ich muss daran denken, wie Chris damals in Bukit Lawang von seiner Begegnung mit der Koenigscobra in Ship Cave berichtete. Es kommt mir vor, als sei das eine Ewigkeit her. Wenn Chris mit einer Koenigscobra fertig wird, werd ich mich von ein paar Kaefern nicht aus der Ruhe bringen lassen. Ich blicke stumpf nach vorne, und bei jedem Schritt, den ich tue, knackt es unter den Sohlen meiner Flipflops, als liefe ich ueber Erdnussschalen.

 

- Sorry, kann mich schon wieder schlecht konzentrieren, die Holzhuette neben mir ist seit heute abend vorruebergehend bewohnt. Und zwar von zwei jungen deutschen Studentinnen mit mangelhafter Dschungelerfahrung. Alle zwei Sekunden wird die naechtliche Ruhe durch schrille spitze Schreie unterbrochen, gefolgt von einem mehrminuetigen Gewinsel der unangenehmsten Sorte. Sie lernen gerade folgendes: a) Im Dschungel gibt es Tiere b) In Suedostasien wird alles geteilt. c) im Dschungel ist keine Huette dicht, und deshalb d) teilt man sich seinen Schlafplatz mit Froeschen, Salamandern, Kroeten und Spinnen, und manchmal auch mit einer Schlange oder einer Beutelratte. Soll ich ihnen sagen, sie sollen die Kloschuessel zumachen? Ne. Koennen sie selbst drauf kommen. Da war es wieder. Das Gekreische. Und es kann noch besser werden, jetzt regnet es naemlich, und bekannter Massen versucht bei Regen, alles was hier so kraeucht und flaeucht irgendwie ins Trockene zu gelangen. Verspricht also ne heitere Nacht zu werden, ich such schon mal die Ohropax.

 

Zurueck zur Hoehle. Ich fuehle mich einsam und von der Welt im Stich gelassen. Verdrossen lasse ich mich auf einen Stein sinken und hoere eine klaegliche Stimme, die ein klaegliches Lied summt. Es ist das gleiche Lied, das Num immer gesungen hat, wenn es auf Tarutao mal wieder besonders schlimm zuging:

 

„Chang Chang Chang

Nong kheuy hen chang ru pao

Chang mun tua toe mai bao

Ja mook yao yao riak waa nguang

Mee khiew tai nguang riak waa nga

Mee hoo meet aa hang yao.”

 

“Elephant elephant elephant

Have you seen elephant before

Elephant is pretty big

They’ve got long nose that’s called trunk

Teeth under its trunk, that’s called tusk

They’ve also got ears, eyes, and long tail.”

 

 

Und dann merke ich, dass die Stimme, die da gesungen hat meine eigene war. 

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