Der Weg nach Draussen

Als es vorbei ist, ist es dunkel. Dunkel, kalt und nass. Ohne es zu merken, muss ich von dem Schwarm vorwaerts getrieben worden sein. Und nun steht mir das Wasser im wahrsten Sinne des Wortes bis zum Hals. Und es ist so eisig kalt, dass es mir das Blut in den Adern zu Bluteis gefrieren laesst. Zwischen der Wasseroberflaeche und der Hoehlendecke bleibt gerade genug Platz fuer meinen Kopf. Will auch heissen: Wenn der Wasserspiegel nur wenige Zentimeter steigt, ersaufe ich. Ich erinnere mich einst, in einem anderen Leben, gelesen zu haben, dass man die Hoehlen Thailands in der Regenzeit nicht betreten sollte, da in dieser Zeit die Fluesse anschwellen und die Hoehlen mit Wasser fluten. Haben. Wir. Gerade. Regen. Zeit.? Wenn meine Zeitrechnung stimmt, schrieben wir Anfang Mai, als ich in dem Verliess auf Ko Tarutao gelandet bin. Dann kam der Zeitsprung, und alles, was danach kam, ist ungewiss. Ich kann nicht sagen, wie lange ich in dem Gefangenenlager verbracht habe. Es koennen Tage, Wochen oder Monate gewesen sein. Und selbst wenn ich es wuesste, an der jetzigen Situation aendert es ohnehin nichts. Ich folge dem Wasserlauf, denn ich habe keine Wahl. Bis auf die Wellenbewegungen, die mein Koerper im Wasser verursacht, ist es wieder still. „Just follow your heart...“ Danke Remy. Und tatsaechlich scheint es, als meint es das Schicksal gut mit mir. Mit jedem Schritt, den ich tue, sinkt der Wasserspiegel, waechst die Distanz zwischen meinen Schultern und der Hoehlendecke. Raum zum Atmen. Und wie aus dem Nichts erklingt auf einmal der dumpfe Klang eines Glockenspiels. Bing. Bong. Wie von Geisterhand. Je weiter ich mich fortbewege, desto klarer kann ich es hoeren. Bong. Bing. Bang. Erinnert mich irgendwie an den Borodum. Kann ja aber nicht sein. Als ich den Lichtschein wahrnehme, steh ich nur noch knoecheltief im Wasser. Und dann seh ich: Das absolut Laecherlichste, das mir auf meiner gesamten Reise bislang untergekommen ist. Vor mir steht ein halbnackter Mann, auf dessen Hueften ein roter aufblasbarer Schwimmring in Form einer ueberdimensionalen Gummiente sitzt (ohne Scheiss!!!). Mit einem Stueck Bambusholz trommelt er auf die von der Hoehlendecke herabhaengenden Tropfsteinformationen ein. BANG. BUNG. BING. Auf seinem kurzen schwarzen Haar sitzt eine Sonnenbrille, darunter ein Flutlicht. Um ihn herum scharrt sich ein Trueppchen ausgemachter Vollidioten. Ebenfalls mit Flutlichtern. Ich lasse meinen Blick schweifen und sehe: Einen taetowierten Barttraeger mit Kapitaensmuetze. Einen weiteren, etwas weniger taetowierten Barttraeger mit gelben Badeshorts, auf dessen Kopf eine Krone aus Palmenwedeln trohnt. Einen behaarten Player mit Leopardenhandtuch. Ein rot weiss geschecktes Bikinigirl mit Bauchnabelpiercing. Und noch ein Bikinigirl mit Kuhfellhut. „Cavemusic! Fuckin‘ awesome, isn’t it??!“ BANG! Offensichtlich Amerikaner. „Hey you! Girl! Are you Stefanie?? Your group was searching for you! They are waiting outside!” ?!. My group. Is waiting for me. Outside. Wer zum Teufel ist my group und was zum Teufel ist hier ueberhaupt los? Der Ausgang der Hoehle befindet sich keine 20 Meter entfernt von mir. Dort wartet ein kleines Grueppchen farbloser Touristen, bestehend aus einem belgischen Paaerchen, einem niederlaendischen Paaerchen und einem deutsch-niederlaendischen Paaerchen aus Neuseeland. Daneben ein thailaendischer Guide mit fehlenden Vorderzaehnen. „Stefanie! There you are. Where you been? Why took you so long?” ?!. Aeh. Toilet maybe…?! “And where is your flashlight?” ?!. Aeh. Lost it, I suppose...?! Wo sind wir hier eigentlich, wenn ich fragen darf? Und welche Jahr schreiben wir? „2016. Rachaprapha Dam . Khao Sok National Park.” Wow. Ich bin tatsaechlich ueber 60 Jahre und ueber 200 km marschiert! Das Leben als breatherian zahlt sich aus. “Why you asking?“ Hmm...Nur so, nur so…“Ok already wait long time. Let’s go. By the way, did I tell you before 40-50 years ago this cave was used by communists as a hideaway from government? But that already long time ago. Now no communist in the cave. All dead.“ Was Du nicht sagst…

 

 

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