Mein Leben auf dem alten Kahn: In geheimer Mission

In der Zeit, in der ich an Bord komme, befindet sich die Fido Dido auf geheimer Mission nach Kerinci, wo wir im Auftrag eines Schwarzmarkthaendlers aus Singapore (der wiederum wurde von einem omanischen Oelscheich beauftragt) einen der selten gewordenen Sumatran Tigers einfangen und ungesehen ueber das Meer nach Singapore schiffen sollen. Das regt insbesondere den Obstler auf, der ja eigentlich nach Hawaii will. Er beruhigt sich allerdings recht schnell wieder, als er in Erfahrung bringt, dass die Erntezeit der Durian in den Monat Mai faellt, den wir, wie es der glueckliche Zufall will, gerade schreiben. Somit hat er beim Landgang nochmal die Moeglichkeit, sich mit ausreichend Wegzehrung fuer die lange Ueberfahrt einzudecken, denn „Seegras ist zwar lecker, aber eintoenig auf Dauer.“

 

Ohne mich selbst beweihraeuchern zu wollen, finde ich, die Crew kann von Glueck sagen, dass ich an Bord bin, kenne ich mich ja nun seit meinem Abend mit den Reggaebruedern in der Bedudalbar bestens mit Tigerfangtechniken aus. Allerdings werde ich die boese Vorahnung nicht los, dass so einiges mehr hinter diesem Auftrag stecken koennte, als lediglich die Sache mit dem Tiger. Luzifer diesen eventuell gar nur als fadenscheinige Coverstory nutzt, um seine wahre Motivation fuer unsere Reise zu verschleiern. Mein Verdacht verhaertet sich, als ich eines Nachts unfreiwillig Zeuge eines Gespraechs zwischen L. und dem unbekannten Wilden werde (den bis dato uebrigens seit geraumer Zeit keiner mehr zu Gesicht bekommen hatte). Ich bin mal wieder von einem meiner verueckten Albtraeume heimgesucht worden (ein hoelzener Parasit mit ueberdimensional langen Fuehlern namens „happy Kayales“ hatte meinen Koerper zerfressen) und verlasse meine Koje, um an Deck ein bisschen frische Seeluft einzuatmen. Da sehe ich, wie die beiden in der Dunkelheit weit vorne am Bug verheissungsvoll die Koepfe zusammenstecken. Luzifer sitzt auf der Gallionsfigur. Der Wilde steht rauchend daneben, sein Blick auf den Horizont gerichtet. Seine langen Haare flattern mit dem Wind. Der milchige Schein des Mondes laesst ihre Gesichter in einem geisterhaften Licht erstrahlen. Ich halte es fuer das Beste, mich bedeckt zu halten und kauere Bug backbords hinter einer metallernen Fischkiste. Von meiner Position aus, kann ich nur einige Wortfetzen erhaschen, die allerdings ausreichen sollen, um mich fuer den Rest der Nacht um meinen kostbaren Schlaf zu bringen. „Tief im Dschungel....kein Weg zurueck....bahaya (Gefahr)....banyak uang (massig Geld)...Koeder...Orang Pendek...“ Orang Pendek! Das ist es also. Der Irre will den Orang Pendek fangen. Mir wird so einiges klar. Unter anderem wird mir klar, warum Remus an Bord ist. Denn ausser uns abends bei Gitarreklaengen die Ohren mit zu Traenen ruehrenden indonesischen Liebesromanzen vollzusaeuseln, taugt er als Seemann herzlich wenig. Nach 6 Monaten an Bord hat er immer noch nicht den Unterschied zwischen Steuerbord und Backbord begriffen, und manchmal vergisst er sogar, dass wir auf See sind (Luzifer hat ihn deshalb schon drei mal geankert). Doch eine Sache hat Remus uns allen voraus: Als junger Mann hat er den Orang Pendek mit eigenen Augen gesehen. Der Einzige von uns, der den Waldgeist, ueber dessen Existenz man bis heute debattiert, wahrhaftig zu Gesicht bekommen hat („have big foot pointing backwards, not like normal human, pointing backwards, so nobody can follow when walking. Orang Pendek not so friendly ghost, some say like eating tender meat from young human or woman, never know, but if you follow your heart...“). Remus ist ein Kenner, und somit fuer des Captain’s Mission Gold wert. Und wenn ich den Faden hier weiterspinne, macht es auf einmal alles Sinn. Es gibt einen guten Grund, warum wir hier alle an Bord der Fido Dido sind, einen Grund, den bis zu der verhaengnisvollen Nacht der Offenbarung einzig Luzifer und der Wilde kannten. Wir alle sind Teil eines sorgfaeltig abgekatertern Spiels, dessen Ausgang ungewiss ist. Fuer einige von uns vielleicht sogar toedlich. Fortsetzung. Folgt.

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