Die Irren von Penang

Zugegebener Massen ist mein Reisetempo nicht das schnellste. Nun haeng ich schon wieder seit gut 2 Wochen in Penang fest, das gerade mal eine Flugstunde von good ol‘ Bukit entfernt ist. Aber die Leute sind hier einfach hach so nett! Und die Stadt ist hier einfach hach so inspirierend! Treffpunkt Mickes Place. Hier eine kurze Vorstellungsrunde: Meine liebsten Kumpels Damien und Yazid kennen wir ja nun schon. Damiens Strassenhandel laeuft Bombe, ich hab mich eingeklingt und hab mittlerweile auch ein paar simple Knuepfmuster raus. Es besteht zugegebener Massen noch Perfektionierungsbedarf. In der Steinkunde mache ich ebenfalls Fortschritte. Damien hat die Knuepfkunst im Himalaya Nepals von einem peruanischen Knuepfmeister erworben und verbindet lateinamerikanische mit asiatischen Techniken, was seine Kunst einzigartig macht. Das Rohmaterial erwirbt er in Indien und Bangkok, wo er demnaechst auch wieder hin muss. „However, some of the nepalese people I really didn’t like too much .“ Why’s that? Pourquoi pas? “Alors, als wir par example in den Bergen des Himalayas waren, war da une old femme mit Hoehenkrankheit (Oeenkrankeit), der ging es wirklich schlecht & ich sag zu den Nepalesen, ihr muesst Hilfe holen, wir muessen die Frau irgendwie nach unten bringen und die meinen nur oui oui demain, morgen. Die Nepalesen sind weiter, und wir sind bei der Frau geblieben, die dann in der Nacht gestorben ist. Am naechsten Tag kamen sie dann wieder, die Nepalesen, auf einem Esel und haben die Leiche nach unten transportiert...“

Yazid ist Teil der Algerian Connection, und mit Yazid gehts derzeit etwas bergab. Sein Visa laeuft aus, das Geld ist alle und der Architektenjob laesst auf sich warten. Also muss er zurueck nach Algerien in die Wueste, und zwar innerhalb der naechsten 4 Tage, das ist aber nicht so einfach, weil er naemlich auch kein Geld mehr fuer ein Flugticket hat, und sein Cousin, der das Ticket fuer ihn kaufen wollte leider von der Bildflaeche verschwunden ist. Nachdem er heute sein Handy verkauft hat, ist er nun leider auch nicht mehr erreichbar. Das ist alles ganz schlecht. Aber er haelt sich wacker.

Neben Yazid gehoeren zu der Algerian Connection noch: Sharif – ebenfalls jobsuchender Architekt, bei dem es aber zur Zeit noch etwas besser aussieht. Der haelt sich wegen Visaproblemen allerdings gerade in Aceh auf. Khaled und Yasser, professionelle HipHop Taenzer, in der Regel immer etwas gehetzt und ausser Atem, weil sie nach ihren Srassenperformances in der Regel von der Polizei gejagt werden, die Hip Hop (oder die Taenzer, man weiss es nicht genau) nicht leiden kann.

Dann waere da noch Damiens Mitbewohner Tim, ein malayischer Tattookuenstler und Trickfilmdesigner, mit dem Damien in einer leeren Wohnung ohne Moebel wohnt. Ich zu Damien:“ Also Tim finde ich ja aeusserst nett.“ Damien:“ Ja, tres nice cette garcon. When he was living in London, he worked pour le Russian Mafia.” ?!?! Tim trifft allerdings keine Schuld. Er hatte in London als Studentenjob „Doener“ durch die Stadt gefahren. Das mit den Doenern war leider ein Irrglaube. „...And then, one day, I entered the office of my boss and saw him brutally beating up this other guy, breaking every single bone of his fingers. So I thought, better get out of here quickly, but they wouldn’t let me go, saying: YOU.STAY.HERE.AND.WATCH! - until they had finished that guy...“ Hmm. Hat man nicht irgendwie gemerkt, dass es bei Dir im Laden nicht so ganz mit rechten Dingen zu geht? “Naja, war halt ein bißchen komisch manchmal. Ich hatte mich z.B. gefragt, warum die ganzen Tuerken alle russisch sprechen. Und der Laden sich haelt, obwohl wir keine Kundschaft hatten. Und stattdessen laufend huebsche Frauen aus und ein marschieren. Und ich fuer meine Lieferfahrten im Schnitt immer so zwischen 100 und 200 Euro Trinkgeld gekriegt hab.“ Na, auf jeden Fall war’s lukrativ.

Patrick, ein zittriger in die Jahre gekommener Strassenzeichner aus den USA, ist Damiens sonntaelicher Standnachbar auf dem Hin Bus Kreativmarkt. Im Gegensatz zum Schmuckgeschaeft laeuft das mit den Bildern allerdings nicht Bombe, sondern ueberhaupt nicht. Was bedauerlich ist, denn seine Zeichnungen sind der Hammer. Ich mag Patrick, denn er eingefleischter Sumatrafan und verweilt regelmaessig zum Ausspannen am Tobasee, wo er, wie wir festellen, mit den gleichen Leuten abhaengt, wie ich, in den guten alten Zeiten. „Oh, and actually by far the greatest thing about Lake Toba is the magic mushrooms that u can get in every warung.“

Han aus den Philippinen arbeitet in „Mi Casa“ als Leuteindiebarschwatzer. Hey Han, hast Du mal gezaehlt, wie oft Du pro Tag „Welcome, have a seat have a drink, happy hour“ sagst? Er ueberlegt kurz. „Hm...maybe...30.000 times I think. But sometimes me even little confused, not saying happy hour but happy new year…“

Der Tag hier laeuft in der Regel so ab: Ich komme aus meiner kleinen, dunklen, stinkenden Kammer getaumelt. Der alte chinesische Rezeptionist:” Good Morning Stef, how are you today?“ Moin. Ja gut, selbst? “Fine. So what are your plans for today? Are you staying one more night?“ Och joa, einen Tag bleib ich wohl noch. “Ah good. The longer, the better Stef!” Wo er Recht hat, hat er Recht. Ich geh mal Kaffee holen. „Alright, see you later Stef!“ Later. Ich passiere die Obdachlose, die neben „Purfect Cat Day“ in der Ecke wohnt. Manchmal laechelt sie. Manchmal nicht. Haengt davon ab, wieviel Klebstoff sie bereits inhaliert hat. Dann laeuft mir in der Regel ein nackter Mann ueber den Weg. Manchmal liegt er auch. Als naechstes:“HEY!!! Can I borrow your spoon??? Spoon! Fork! Spoon! Fork!“ (auf meiner roten Stofftasche ist verhaengnisvoller Weise ein Loeffel aufgedruckt...). Nee sorry, brauch ich noch, wie soll ich sonst essen? „No problem! Eat with your hands like indian la!!!“

Nach der Morgenroutine verbringe ich den Rest des Tages damit, diverse Artworkshops zu besuchen und uebe danach meine neu erlernten Techniken, die ich als gewagter Freigeist versuche miteinander zu kombinieren. Momentan male ich schwarz weisse Muster (nennt man „Zentangle“) und beklebe weisse Postkarten mit bunt bedruckten Klebestreifen (nennt man „Washi tape Art“). Oder ich arbeite weiter an meiner Knuepfkunst. Von Patrick inspiriert, versuche ich mich nun gelegentlich auch als Strassenzeichner.

Der Tag klingt mit den ueblichen Verdaechtigen vor Mickes Place aus, endet i.d.R. zwischen 0:00 und 5:00am.

 

Manchmal passieren hier auch aussergewoehnliche Dinge. Darunter faellt dann sowas, wie: man wird von einer der Ratten attackiert. Oder: Man faehrt an den Strand. Ansonsten alles ruhig.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0