Wirre Traeume mit ueberraschendem Erwachen

Die kommenden Wochen treibe ich in einer Art Trance orientierungslos im gnadenlosen Strom der geZEITen. Kurzzeitig bilde ich mir ein, ich befaende mich auf einem Deich im Hamburger Umland umzingelt von weissen Schafen und auch ein paar schwarzen. Muss ja wohl ein Irrtum sein. Dann wieder katapultiert mich meine hyperventilierende Phantasie in eine gesetzlose Hippiekommune namens Christiania, da laufen ziemlich wirre Gestalten rum, irgendwie noch etwas wirrer, als ich. Fatima z.B. braucht Feuer, weil sie ihren Tennisballgrossen Hanfbrocken schmelzen will, waehrend ihre Mutter sich gerade in einem Kopenhagener Krankenhaus befindet, um ihre zukuenftige Schwester zu gebaehren. Steven war einst Architekt in Thueringen, hat das Architektendasein nun allerdings an den Nagel gehaengt, auf der Suche nach seiner wahren Berufung. Und siehe da, er hat sie gefunden. „also wisst Ihr, das Tolle an Christiania ist: Hier kann jeder machen, was er wirklich kann, und so kam ich hier her und merkte: Tellerwaescher! Hab ich festgestellt: Kann ich!“. Dann irrt da noch so ein bekloppter Nick durch die Strassen, der starrt vor sich hin und sieht etwas, was wir nicht sehen. Nick kommt urspruenglich aus Bangkok, wo er seine argentinische Freundin kennengelernt hat, mit der er jetzt nach Lateinamerika auswandern will, deshalb trifft er sich mit ihr in drei Stunden in Berlin, deshalb ist er jetzt auf dem Weg zu seinem Zug, der widerum faehrt in einer halben Stunde, aber irgendwie sitzt er uns eine Stunde spaeter immer noch gegenueber. Die Story hat’n Haken, wie es mir scheint. Dann bin ich auf einmal wieder in Hamburg, wo ich mir meinen Lebensunterhalt mit dem Zeichnen sinnlos bloedsinniger Bildchen verdiene, die ich vollkommen unterteuert auf tausendschoenen suess lieblichen Designmaerkten verticke, eingequetscht zwischen suess lieblichen Brillentraegerinnen, die selbstgenaehte rosa goldige Taeschchen und selbstgstrickte Stulpen und huebschen selbstaufgefaedelten Plastikschmuck feil bieten. Gelegentlich produziere ich Auftragsarbeiten, wie z.B. kleine fliegende blaue Elefanten fuer renommiertes Anwaltsklientel. Um zu sparen, lasse ich mich von zwei syrischen Kriegsfluechtlingen durchfuettern, mit denen ich mich in meiner 1,5 Zimmer Wohnung stapele. Zwischenzeitlich kaempfe ich an der Seite linksgesonner hamburger Kunstaktivisten um den Erhalt der Gleisueberdachung in dem Oberhafenquartier, damit wir dort zukuenftig Biobaeume zuechten und Festivals schmeissen koennen. Mit der Zeit geht alles etwas bergab, das Kunstgeschaeft laeuft eher schlecht als recht und erreicht seinen traurigen Hoehepunkt damit, dass mein legendaeres Werk „Eis mit Schuss, was muss, das muss“ beim Alstervergnuegen von einer Windboehe erfasst und in der Alster versenkt wird. Im friedlichen Christiania wird ein Mensch erschossen und die Bewohner reissen mit Gewalt die Drogenhuetten ein. Obendrein loest sich meine Araberkommune auf, will auch heissen, ich muss mich wieder selbst versorgen. Das ist ganz schlecht. In Syrien wirds auch nicht besser und im Oberhafen gehts auch nicht so recht voran. Obendrein werde ich von einer ungluecklichen Liebschaft geplagt und beschliesse die Misere in einer Art Dauerrausch zu ertraenken, was sich als unerwartet anstrengend herausstellt und somit auch keine Dauerloesung sein kann. Nach einer durchgezechten Nacht schwinge ich mich also kurzerhand auf einen fliegenden Teppich und lande nach 3 Stunden und 40 Minuten – man glaubt es kaum – leicht verkatert auf dem Dach eines okkerfarbenen Riads, welches sich irgendwo in dem unuebersichtlichen Gassengewirr der Medina Marrakechs befindet. Auch gar nicht so uebel, denke ich mir. Und somit beginnt mein Lebensabschnitt bei „Priscilla – Queen of the Medina“.

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