Wo ich hier eigentlich so bin, und was das Leben hier eigentlich so bringt

Zurueck zu Priscilla. Nach einem kurzen Nepp lasse ich die neue Umgebung auf mich wirken. Es riecht noch ein bisschen nach Blut, weil naemlich gestern Aid war und unheimlich viele Schafe geschlachtet worden sind. Ein paar Schafe haben’s allerdings ueberlebt, wie man aus Nachbars Haustuer vernehmen kann. Es kraehen ein paar Haehne, ansonsten herrscht angenehme Ruhe. Der orientalische Duft von Inscent Raeucherstaebchen liegt in der Luft. Der Nachbar vom Dach gegenueber ruft nach seinen Tauben, die mit einem erstaunlichen – ja ich moechte fast sagen blindem Gehorsam den Weg zurueck in ihren Verschlag finden. Ich winke rueber. Eine Schildkroete knabbert an meinem Zeh (Moment! Das hab ich doch irgendwo schon mal erlebt....). Ich ziehe vorsichtshalber den Zeh zurueck. Im Innenhof tanzt Heather barfuss zu nicht vorhandener Musik.

Ich beschliesse eine Runde zu drehen, um die Gegend auszuchecken und mich mit dem zum Ueberleben Notwendigsten einzudecken. Und das waere dann auch die erste grosse Herausforderung in dieser magischen unbekannten Fremde. Ich kann mich naemlich nicht entscheiden, was notwendiger ist, eine Schlangenhaut oder ein Zebrafell mit Fleischresten. Thé a la menthe oder Leitungswasser aus klingelnden Ziegenlederbeuteln? Eine Holzschlange oder eine echte Cobra. Ein Streifenhorn, ein Chamaelion, oder eine Schildkroete, oder der gesamte Kaefig. Hasch oder Gras oder ein Gebiss, und wenn ich mich fuer das Gebiss entscheide, wieviele Zaehne sollten es sein? Oder brauche ich einen getrockneten Riesenkuerbis in Form des maennlichen Geschlechtteils. Oder sollte ich mir ein Huhn oder ein Gans koepfen lassen? Die Qual der Wahl, die Qual der Wahl! Was ist ueberlebenswichtiger? Die Hand Fatimas, um mich vor boesen Djinns zu schuetzen (Anm. d. R.: Djinns sind aus Rauch und Feuer geschaffen), oder eine Wunderlampe, um die Djinns zu rufen, falls ich mal in Geldnot geraten sollte? Sollte ich mich mit medizinischen Wunderpulvern eindecken, fuer den Fall, dass ich krank werde, oder sollte ich lieber direkt den Facharzt zu Rate ziehen, der auf dem Djemaa L Fna mit beachtlicher Brille und weissem Kittel neben seinem hoelzernen Klapptisch sitzt, auf dem sich eine aufgeschlitzte Plastikpuppe mitsamt Eingeweiden und jahrhunderte alte Fachliteratur stapelt? Die Qual der Wahl, die Qual der Wahl!

Das Angebot schafft mich! Ich kaufe eine klebrige Suessigkeit und einen Orangensaft und kehre zurueck zur Homebase, wobei ich mir Muehe gebe, mich nicht von durch die Gassen rasenden Moppeds, Fahrraedern und Eselskarren ummaehen zu lassen. Vor der Haustuer gruesse ich freundlich den fuenfjaehrigen Nachbarsjungen. „Salamualaikum achui“ - Friede sei mit Dir, mein Bruder. Er antwortet, dass er mich ficken will. Die Jugend von heute ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Im Innenhof vebrennt Heather gerade in Lavendel getraenkte Papierschnipsel.

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