4. Lektion: Arm bleibt arm, oder: "Abdullah, der Waescher"

Das menschliche Schicksal ist Gott gegeben. Ist man arm geboren, so ist dieses Gottes Wille, man moege nicht versuchen, dem Gott gegebenen Schicksal zu entrinnen. Und da komme ich ins Spiel und erzaehle eine marokkanische Geschichte, die ich auf dem Djemaa al Fna aufgeschnappt hatte. Sie heisst „Abdullah, der Waescher“

Im Namen Allahs, des Allmaechtigen, des Barmherzigen, denn Er weiss es am Besten. Es war einmal ein armer Waescher, namens Abdullah, der war so arm, dass er kaum seine Familie ernaehren konnte. Eines Tages zog er sich in ein verlassenes Haus zurueck, weinte bitterlich und fragte Allah um Rat. Da kam ein Engel, der sprach zu Abdullah: „Schliesse Deine Augen. Dann gehe drei Schritte vorwaerts. Dann oeffne Deine Augen, und ich werde Dir Dein taeglich Brot zeigen.“ Abdullah tat, wie ihm geheissen, und er fand sich wieder, in einer weissen, fremden Welt. Vor ihm sprudelten so viele Quellen, wie es Menschen auf der Erde gibt. „Dies“, sprach der Engel, „ist das taeglich Brot der Menschen, so wie Allah es ihnen zugesprochen hat“. Aus manchen Quellen sprudelte literweise Wasser hervor, das war das taeglich Brot der Koenige und der Sultane. Aus anderen Quellen sprudelte etwas weniger Wasser, das war das taeglich Brot der Kaufmaenner. Und dann gab es da eine ganz kleine erbaermliche Quelle, aus der troepfelten nur ein paar klaegliche Tropfen. „Dies, mein lieber Abdullah,“ sprach der Engel „ist Dein taeglich Brot.“ Abdullah war traurig und erschuettert, und versuchte, das Loch aus dem sein Quellwasser hervortroepfelte zu vergroessern, doch bei dem Versuch verstopfte er die Quelle vollends.

„Nun schliesse Deine Augen wieder, gehe drei Schritte vorwaerts, und dann oeffne Deine Augen wieder.“ Abdullah tat erneut, wie ihm geheissen, und er fand sich wieder in dem verlassenen Haus, in das er sich zum Weinen zurueckgezogen hatte. Er war durch den Wind, rannte nach draussen auf die Strasse und rief:“Leute! Ich habe mein taeglich Brot gesehen, ich habe mein taeglich Brot gesehen!“ In dem Moment kam der Koenig im Tarnanzug vorbeigeritten, denn er wollte nicht erkannt werden. Da der Koenig etwas taub war, verstand er Abdullah nicht richtig, was er hoerte war: „Leute! Ich habe den Koenig gesehen, ich habe den Koenig gesehen!“ Er ging davon aus, Abdullah habe ihn erkannt und fand es unmoeglich, dass dieser das Geheimnis so offen herumposaunte, drum liess er ihn festnehmen und verhoeren. Da erklaerte ihm Abdullah:“Aber nein, mein Koenig, das ist ein Missverstaendnis. Was ich rief war, ich habe mein taeglich BROT gesehen.“ Und er erzaehlte dem Koenig was ihm wiederfahren war. Der Koenig hatte Mitleid mit dem armen Waescher und sagte: „Mein lieber Abdullah, mach Dir keine Sorgen, ich werde Dich reich machen.“ Und er schenkte Abdullah 10 Saecke voll Gold. Als sich Abdullah voller Dank vor ihm auf den Boden warf, schlug er sich seinen Kopf auf und starb vor dem Fuessen des Koenigs. Und dann erschien der Engel vor dem Koenig und sagte: „Allah hat den Waescher arm gemacht und Du machtest in reich. Allah hat den Waescher getoetet, nun mach Du ihn wieder lebendig.“ Der Koenig war erschuettert und lebte fortan in Demut, bis an sein Lebensende.“

 

 

Ps. Laut Said verdient man als gut organisierter Bettler uebrigens locker das Dreifache eines hart arbeitenden Handwerkers.

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