Was mach ich nur in Ait Mansour

So, nun aber erstmal zurueck zu meinen Tagen in Ait Manour. Kurz zur Auffrischung: "Und gerad als ich denke, hier passiert ja goar nix, und ich schon beginne, mich zu sorgen, was ich denn nun in den Reiseblogg schreiben soll (denn lyrische Erguesse ueber den seufzenden Windhauch in verschlafenen Palmenzipfeln und magische Wunderwelten sind zwar herzerwaermend, koennten den fleissigen Leser auf Dauer jedoch auch langweilen), da: KNALLTS!"

 

Waehrend ich dabei bin, Wandgemaelde Berberstyle an einer alten Ruine abzufotografieren, fahren zwei Jungs auf ihren Fahrraedern an mir vorbei. In einem Affenzahn, und ich denk noch, vorsicht, langsam bei der Kurve, und dann hoer ich auch noch ein Motorengeraeusch von der entgegengesetzten Richtung kommen, und ich denk nochmals mit Nachdruck, vorsicht, langsam bei der Kurve, und ich seh es kommen, das Unheil, das nicht mehr abzuwendene. Frontalzusammenstoss! Das Kind fliegt ueber die Windschutzscheibe, und ich denk noch: Krass, wie hoch man fliegen kann! Mit den Unfaellen scheints hier generell so ne Sache zu sein. Ich erinnere daran, wie Laura in Marrakech von dem Mopped uebergemaeht wurde. Und Super Richy hatte mir gerad noch berichtet, wie sein alter Freund Mohammad dabei umkam, als sich sein Turban in dem Rueckrad seines Zweirads verfangen hatte, und ihn von hinten erdrosselt hat. Auch die Tiere bleiben nicht verschont, seit zwei Tagen pflegt Rich einen armen Hund am Strassenrand, der von einem vorbeirasenden Jeep ueberfahren wurde. Man weiss noch nicht, ob ers ueberlebt, aber er kriegt jeden Tag ein bisschen Couscous. Also! Augen uff im Strasseverkehr! Glueck im Unglueck, Gott seis gedankt, ausser aufgeschuerften Knien ist dem Bub nichts weiter geschehen. Sah allerdings furchtbar aus! Da es mittlerweile dunkelt begebe ich mich auf den Heimweg. Niemand zu Hause und schon gar nicht Abdou. Gut. Warten. Hab ja immerhin nochn Granatapfel in der Tasche. Nach ner Stunde passiert: noch immer nichts. Aussitzen raunt es in meinem Hirn. Aussitzen hat schon immer die Loesung erbracht. Bloed nur, dass ich einen MORDShunger habe, ausserdem wird’s frisch. Eine weitere Stunde vergeht. Kanns ja wohl nicht sein! Ich wuerd ja NOTfalls draussen pennen, aber dafuer haett ich dann wenigstens gern ne Decke, denn wahrlich mich frostet! Ich ueberlege, ob ich vielleicht Super Richy anrufen sollte, aber Super Richys Karte befindet sich in meiner Tasche, und meine Tasche befindet sich in Abdous Butze, wo ich ja nun nicht reinkomme. All mein Hab und Gut in greifbarer Naehe, jedoch gut verschlossen, Abdou verschollen, ich hier draussen und weit und breit auf weiter Flur keine Menschenseele zu erspaehen. Und ich hab HUNGER. Und es ist KALT. Aussitzen hin oder her, so gehts nicht weiter. Man muss aktiv werden. Ich begebe mich auf die Suche nach Zivilisation und finde ein paar Berberfrauen, die leider nur Tschlhait und ein paar wenige Brocken Arabisch sprechen. Irgendwie mach ich mich verstaendlich und die Antwort, die ist folgende: „Abdou? Der ist in Marrakesch.“ I GLOAB I SPINNE! Das kann der ja wohl nicht bringen! Oder kann er? Kann ihn vielleicht mal jemand anrufen? Man kann, die Leitung ist tot. So lande ich dann letzten Endes bei Haj und seiner lieben Frau Aisha, die mich aufs VORZUEGLICHSTE bewirten, gepriesen sei sie, die berberische Gastfreundschaft, ich haue mir den Bauch voll mit Datteln, Brot, hervorragendem Arganmuss, koestlichen Suessigkeiten und leckersten Kaffee. Letztendlich ist es gar nicht sooo uebel, dass der olle Abdou verschollen ist. Haj jedoch ist sichtlich entruestet ueber Abdous Verhalten, er koenne sich das ABSOLUT nicht erklaeren, dass sei UNVERZEIHLICH. Ich meine: „no problem“ und werfe noch ne Dattel ein. Und dann, eine weitere Stunde spaeter: Steht Abdou vor der Tuer. Von Schuldgefuehlen zermuerbt, ja ein Schatten seiner selbst. Wie sich herausstellt, hatte er auf der Strasse einen Kumpel getroffen, mit dem er nur ganz kurz nach Tafraout (aha, also nicht Marrakesch) fahren wollte, und dann in Tafraout kam dann eins zum anderen, da mussten sie dann noch Kaffee trinken, und Freunde besuchen und Einkaeufe erledigen, und dann wollte der Freund noch einen Kaffee trinken und dann wurde aus einer Stunde 6 Stunden und ach und herrjemine, es ist alles so furchtbar, denn er sagte ihm noch, ich muss zurueck, ich hab einen Gast ohne Schluessel! Usw.usf. Nach einer hektisch zubereiteten Tarjine ertraenkt Abdou seinen Scham in einer Pulle Pastis (wobei ich nicht weiss, ob es das jetzt unbedingt besser macht, was den Kundenkomfort angeht) und ich lese „Der fremde Gast“ von Charlotte Link (hatte ich aus Tafraout mitgehen lassen), ein Meisterwerk westeuropaeischer Schundliteratur, toppt an Niveaulosigkeit noch „Murder House“ (hatte Kathrine sich aus Mangel an Alternativen bei Abdul in Ait Bougmez einverleibt).

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0