Aufstieg und Abstieg

Ich bin mal wieder auf dem Weg bergauf. In der Regel ist es naemlich so: Je hoeher Du steigst, desto tiefer Du faellst. Nein. Diese Floskel mein ich in diesem Fall natuerlich nicht. In der Regel ist es naemlich so: Je hoeher Du steigst, desto besser die Aussicht, desto unberuehrter Pachamama, desto heller die Erleuchtung und desto besser der Fund. Jeglicher Art. Auf diesem Aufstieg z.B. finde ich: jede Menge dicke wollerne Alpackas, jede Menge dicke pelzerne Steine, die mit so einer ueppigen flauschigen Moosschicht ueberzogen sind, dass man gar nicht so genau weiss, ob es nun Steine sind, oder Schafe oder Lamas. Des weiteren kreuzt ein friedliches Einhorn meinen Pilgerpfad. Bei Zeiten bin ich umgeben von dicken schweren Nebelschleiern, die sich wie ein undurchlaessiger Schleier ueber die Bergwipfel legen und Dir den Weg leiten, in das Reich der Berggeister und der viereckigen Eier. Ausser des Rauschen des Flusses umgibt Dich eine dumpfe, allumfassende Stille. Ich passiere steinerne Bruecken, die mich ueber steinerne Fluesse fuehren, in denen steinerne Fische schwimmen. Jahrtausend alte Inkaruinen, heisse Termalquellen mit weichem Wasser und einer Wassertemperatur von 43 Grad. Dann treffe ich auf eine Horde wildgewordener Wildschweine, eine Sau mit 5 Frischlingen (immer heikel) und zwei aggressive Eber, die sich gerade eine blutruenstige Schlacht liefern und voellig unkontrolliert von rechts nach links nach rechts taumeln und mich dabei unsanft anrempeln, was ich ehrlich gesagt nicht so gut finde. Auf 4300m Hoehe lichtet sich der Nebel. An einem friedlich plaetschernden Flusslauf lege ich eine friedliche Pause ein und verzehre meinen Proviant: Eine staubtrockene Kaese Empanada (frag mich, wo da der Kaese sein soll!). Ueber mir flattern bunt grelle Kolibris, und es ist gut zu wissen, dass es hier oben in den Anden so friedlich zugeht, und man sich vor keinerlei boesen Raubtieren fuerchten muss, ausser vllt. vor dem Eloria Noyesi. Da es noch erfreulich frueh ist, genehmige ich mir ein kleines Nickerchen auf dem knallgruenen Gras am Flussufer. Alles ruhig, bis ich von einem schrillen Pfeifton geweckt werde. Was denn das denn? Ein Wandertrueppchen! Bestehend aus 5 peruanischen Guides und 5 amerikanischen Touristen. „AMIGACITA!!! Was machst Du hier??“ Schlafen, was sonst?! „Alleine???“ Ja, wonach siehts denn aus? „Wo willst Du denn hin???“ Nach oben. „Zum Himmel???“ Nee, zum Mond. „WOW!!! Woher kennst Du den Weg???“ Bergauf halt. „WOW!!! Eres GUERILLA!!!“ Jo, tuellich. Zu meinem Leidwesen sieht es danach aus, dass das Trueppchen hier seine Mittagspause einlegen will, ich deute das als Zeichen, dass es an der Zeit ist, meinen Treck fortzusetzen. „OK! Guten Aufstieg!!! Pass auf die Pumas auf.“ Pumas??!! Pumas!!! Hier gibt’s Pumas??? Aus ists mit der kolibribunten Idylle...Pumas. Na geil. Das ist natuerlich aetzend. Ich krame das schweizer Taschenmesser aus meinem Beutel und trage es fortan in der Faust. Das Dumme an Messern ist, dass es im Falle eines Kampfes unvermeidlich auf einen Nahkampf hinauslaeuft, und da muss man sich dann wiederum fragen, ob ich dem Puma die Kehle durchschlitzen kann, bevor er mir die Kehle durchbeisst. Tatsaechlich begegne ich auf dem Weg KEINEM Puma, finde stattdessen vier einsame Lehmhuetten, die sich entlang des Flusslaufes aufreihen, und ich kann es nicht fassen, dass es nach vier Stunden Nebel und vier Stunden einsamer Wanderung auf steinernen einsamen Bergpfaden (mal abgesehen von dem Wandertrueppchen) hier oben tatsaechlich sowas aehnliches wie Zivilisation gibt. Ich passiere die Siedlung und finde wilde mystische einsame Wasserfaelle und denke mal wieder: Das ist das Krasseste, was ich je gesehen hab!

 

 

Auf dem Rueckweg treffe ich erneut auf einem Splitterpart des Treckingtrueppchens (2 der Guides, um genau zu sein). „Amiga! Wie wars da oben???“ Gut. „Was gibts denn da?“ Kleines Dorf, kleiner Wasserfall. „Und das hellbraune da oben, ist das der Pfad?“ Das? Ja. Sach mal, warum fragst Du? Solltest Du doch wissen, so als Guide, oder? „Nee. Bin zum ersten Mal hier.“ Soviel also zur Qualifizierung der peruanischen Andenguides. Anschliessend versucht er mich zu ueberzeugen, dass ich Quetchuan lernen muss. Mit Sicherheit nicht! Mir reichts mit dem ganzen Sprachenwirrwarr. Ein zweiter socalled „Guide“ gesellt sich zu uns. „Wo kommst Du her, Guerilla?“ Hamburg. Drum nennt man mich auch Hamburger. „Ah, a mi me gusta comer las hamburguesas – ich esse gerne Hamburger!“ Gut. Was will man erwarten...Schliesslich sind wir in Lateinamerika...Der Abstieg verlaeuft sutsche und unspektakulaer.

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