Das Leben als Entwicklungshelfer. Oder: Auf der Suche nach dem Honig

Das Gute am Leben als Entwicklungshelfer ist, dass man kostenlos durch die Gegend reisen kann. Das Schlechte ist, dass die Reisen in der Regel in aller Herr Gotts Frühe starten, genau genommen um 7:00 Uhr morgens, und das wohl gemerkt an einem Sonntag. Waer ja nicht so schlimm, denn bekanntermassen bin ich ja ein Mensch des Morgens, allerdings tritt das aeusserst bedauerliche Ereignis ein, dass AUSGERECHNET am Samstagabend in meinem sonst so friedlich kalten menschenlosen Hostel ein bolivianischer Rap-Battle aus getragen wird und ich somit des Nachts unter einer Invasion ganzkoerper taetowierter alkoholisierter Latinogangster zu leiden hab, und ja, es ist wirklich ein Leid, meine Kaltwasserdusche wird als Toilette umfunktioniert, unsere schrottige Eingangstuer wird aus den Angeln gerissen und beim abendlichen Zaehneputzen werde ich von tattoogesichtigen HipHop Raudis belaestigt. Nun gut, das Leben ist kein Ponyhof, und wir wissen ja, morgen wird alles besser, denn das Projekt, ueber das ich in meinem nigelnagelneuen Job zu Berichten habe, ist ein H-O-N-I-G Projekt.

Und ja, es wird besser, die Abfahrt allerdings verzoegert sich ein Weilchen, weil wir eine pinke Matratze mitnehmen muessen („die ist fuer Dich, Stefanie!“ - danke), die nicht ins Auto passt, deshalb kleben wir sie mit Tesafilm (T-E-S-A-F-I-L-M) auf dem Dach fest. Ich erlaube mir den Kommentar, dass ich wahrlich bezweifle, dass das halten wird, aber man schwelgt in bolivianisch sorgloser Zuversicht.

Auf der Fahrt ins Honigparadies durchqueren wir zu meinem Leidwesen erneut das Dorf des Schreckens mit den aufgeknuepften Stoffleichen. Feuergeruch schwebt in der Luft. Ich nutze die Gelegenheit und frage meine drei Companeros, bei denen es sich ja schliesslich um ortskundige Einheimische handelt, wer denn nun eigentlich dieser Ladron Pillado ist, der auf gut jeder zweiten Mauer verewigt ist. „Ladron Pillado? Der ist tot, den haben sie hier Mittwoch auf dem Marktplatz verbrannt und aufgeknuepft.“ Hm. „Lebendig verbrannt?“ „Ja.“ Andere Laender, andere Sitten. Ich frag trotzdem mal nach. „Aeh, ist das hier normal?“ „Nun, es war ein Schurke.“ Achso. Hm. „Macht man das in La Paz auch so?“ „Noe, nur hier oben. Die Leute hier sind wuetend.“ Offensichtlich ist das so.

Auf der Autobahn fliegt uns die Matratze davon und landet in einem Schlammloch („Leute, die Matratze ist weg!“ „Wirklich?“), drum drehen wir, und fahren einen halben Kilometer als Geisterfahrer zu dem Ort des Ungluecks. Die neu ueberlegte Technik ist deutlich ausgefeilter, diesmal binden wir das gute Stueck (nun leider nass und braun) mit rotem Nylonpfaden am Scheibenwischer fest. Haelt gut. Zu Mittag gibt es ein Sueppchen mit Huehnerfuss. Anschliessend verlassen uns zwei unserer Companeros. Versteh ich nicht ganz, drum frag ich nach: „Wohin fahren die?“ „Zurueck nach La Paz.“ „Hae?“ „Die haben uns nur gefahren, weil ich keinen Fuehrerschein haben, aber ab hier sind die Strassen so schlecht, dass es keine Kontrollen gibt, ab hier fahre also ich.“ Achso. Im Ort kaufen wir noch ein Flaeschchen 100prozentigen Alkohol. „Hier! Das brauchen wir, fuer die Hoehe.“ „Hm, trink ich das jetzt oder wie?“ „Nein, das ist fuer spaeter.“ Spaeter, ist auf einer Passhoehe von 5200 Meter, und wie sich rausstellt ist der gute Tropfen nicht fuer uns, sondern fuer Pacha Mama, der wir hier oben, in herzloser, verwegener Wildnis einen ordentlichen Schluck verabreichen. Gut drei Stunden spaeter sammeln wir an einem ausgestorbenen Fleckchen Bergspitze Mario ein, ebenfalls Mitarbeiter von Cecasem, weiss der Geier, warum der gerade hier rumhaengt, ein sehr spezieller Charakter mit sehr speziellem Humor, der genau meinen Geschmacksnerv trifft. Jedenfalls sind wir jetzt wieder drei. „Dies, Stefanie, dies ist der Camino de la muerte – Strasse des Todes.“ Was Du nicht sagst. Wir kurven auf 4000m Hoehe auf einem 1 Meter breiten, steil aufwaerts fuehrenden – wie soll ich sagen –spiralfoermigen „Schlammacker“, achso nee, es regnet, es ist ein Schlammfluss – mit Schlagloechern - an dessen ungesicherten Seiten es 3000m senkrecht in die unendlich toedliche Tiefe geht. „...aber wart ab, das hier ist noch gar nichts, der wahre Todespfad, der kommt erst spaeter.“ Mir schwant Folgendes: Das Leben als Entwicklungshelfer in den hohen Anden, das ist nichts fuer Weicheier (und schon gar nicht fuer Warmduscher). Uns kommt ein Lastwagen mit einem Kind am Steuer entgegen. Erfreulicher Weise ist es so, dass wir ueberleben, das liegt vermutlich an der Opfergabe an Pachmama, da oben auf dem Pass. Und erfreulicher Weise ist es so, dass ich -wenn ich es denn richtig verstanden haben sollte – tatsaechlich ein Einzelzimmer haben werde. Nach weiterer 3 stuendiger Todesfahrt halten wir auf 4800m Hoehe in einer kleinen zerfallenen Ortschaft vor einem kleinen zerfallenen Holzschuppen. „Hier ist es.“ Jippie yo, jippie yeah. Mein fensterloser Schuppen besteht aus einer zerfallenen Holzpritsche, auf dem Boden liegt eine modrige Matratze, dann gibt es noch ein dieseliges Mopped in der Ecke, eine Honigzentrifuge (leider ohne Honig, leider leider) und in einer Ecke gammelt ein rostiger Campingkocher.

Auf der Pritsche finde ich ein paar Tshirts, ausserdem fliegt auf dem Boden ein Aufladekabel rum, UND ausserdem gibt es hier Brot und Marmelade.. Ich trau dem Braten nicht, die Indizien sprechen stark dafuer, dass ich hier nicht alleine bin. Hm. Hm. Keiner in Sicht, es ist abends, ich bin muede, es regnet, es ist kalt, drum werfe ich mich auf die Pritsche (in der Mitte fehlen leider die Holzplanken, dum haenge ich durch), wickele mich in vier Wolldecken ein und gebe mich der Nachtruhe hin. Zwei Stunden spaeter fliegt die Tuer auf, und herein kommt: Mein guter Kollege, namens Alex Santiago und aus ist es mit der Nachtruhe. „Boah ey, gut, dass ich wieder hier bin, letzte Nacht musste ich in Santa Clara in einem Schuppen pennen, der war voll mit Ratten, staendig bin ich aufgewacht, weil mir wieder eine ueber den Bauch gerannt ist.“ „Hm! Gibts hier auch Ratten?“ „Tuellich, aber nicht so viele, die meisten hab ich schon erlegt. Und weisst Du, warum ich nicht in dem Bett (Anm.: welches Bett? ) penne? Weil die Matratze voll ist mit Kakerlaken und Spinnen und Bettwanzen.“Hm! Aus ists, mit der Nachtruhe...“...in San Borja, im Dschungel, da ist alles besser, da gibt es wenigstens Krokodile und Schlangen zu essen...“ (Wovon redet der Mann?) „...und da gibts noch die richtig vernuenftigen Scharmanen...“Ein Laberflash...  „...die haben mich fast gegessen. Die Scharmanen in San Borja sind naemlich Kannibalen. Erst haben sie uns so einen geilen Drink verabreicht, von dem kann man volle Pulle entspannen, und gerad als ich so richtig schoen wegdoese, meint mein ortskundiger Companero, es ist an der Zeit zu gehen, und ich frage warum, und er sagt, sie wollen Dich jetzt einschlaefern, und ich frage warum und er sagt, weil sie dich essen wollen, das machen sie hier in der Regel so, und dann sind wir also gegangen..Aber ich sag Dir, wenn wir zwei naechste Woche nach San Borja fahren, das wird ein Heidenspass“ Nun gut. Es geht noch ca. 2 Stunden so weiter. Ich schalte ab und denke an Honig. „Stefanie, schlaefst Du?“ JA! Nachts traeume ich von Ratten, die Schnuersenkel und Menschen fressen. Ausserdem von einer kalten Dusche.

 

 

Das Glueck ist uebrigens mit uns, in unserem „Dorf“ gibt es gelegentlich Strom und gelegentlich auch Wasser. Und es kommt noch besser: Es gibt eine Dorftoilette / Kloakegrube UND eine Dorfdusche, aus der gelegentlich Wasser kommt, gelegentlich sogar ansatzweise lauwarm (gelegentlich auch markerschuetternd frostig). Ich bin also zuversichtlich und freue mich auf den Honig.

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Kommentare: 24
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