Bergsteigerei

Am naechsten Morgen holen wir erst Mario ab, dann Jaime, einen spanischen Expat, der fuer unseren Financier arbeitet und fuer den Workshopgipfel am Wochenende angereist ist. Mario hat in den 2 Tagen Abwesenheit ca. 5 Kilo zugenommen („Echt geil da oben, von morgens bis abends nichts als Essen, die Frauen veranstalten da immer einen Wettstreit, wer am besten fuer mich kochen kann.“ Daher weht also der Wind. Von Ratten sagt er nichts.)

Der Rest des Tages ist frei, ich freue mich auf einen entspannten Tag, Jaime und Alex beschliessen jedoch den Berggipfel von Tacacoma zu besteigen, muss ich dann natuerlich auch mit (wenn ich gewusst haette, wie das endet, haette ich anders entschieden). Zunaechst einmal muss Alex angeben und sprintet ohne Ruecksicht auf Verluste den nahezu senkrecht ansteigenden Stolperpfad hoch. Nicht zu vergessen, wir sind hier auf 4500m, und die Luft ist knapp. Nach 20 Minuten ist meine Lunge kurz vor der Explosion, Atmen geht sowieso schon lange nicht mehr. Ich bestehe auf eine Pause, aus einem abgebrochenen Ast wird mir ein Krueckstock geschnitzt. Auch irgendwie unter meiner Wuerde. Anschliessend versinken wir im Nebel, Alex meint, er weiss auch nicht, wo wir sind, aber am besten ist es immer dort, wo es keinen Weg gibt. Also schlagen wir uns durchs Dickicht, links von uns gehts steil bergab, alles kein Problem schliesslich „koennen wir uns ja an den Blumen festhalten.“ (Vom Ding her erinnert mich das Ganze hier stark an den Dschungeltreck in good old Bukit Lawang, mal abgesehen von den Temperaturen und dem Hoehenunterschied). Nach gut 40 Minuten Hoellenqual am Schraeghang: „So. Hier gehts nicht weiter!“ Ist nicht Dein Ernst! Unser „Nature Treck“ endet an einem felsigen Abgrund. „Zurueck gehts allerdings auch nicht.“ Wo er Recht hat, hat er Recht. Wir haengen eine Weile ratlos am Abgrund (und halten uns an Grashalmen fest). Aussitzen wird in diesem Falle vermutlich nicht zur Loesung fuehren. „Gut. Ich werde auf die Blume springen, dann kommt Ihr nach. Von da gucken wir weiter.“ (ca. 3 Meter unter uns, waechst ein klaegliches Gestruepp aus dem Felsen, mal gucken, wie stabil das ist). Alex springt, verfehlt natuerlich die Blume, schafft es aber doch noch, sich mit der linken Hand an einem Blatt festzukrallen (ja, die Blume ist offensichtlich widerstandsfaehiger, als gedacht), und zieht sich hoch. „Hui! Das war knapp! So, Stefanie, jetzt Du!“ Ich blicke nach unten und ich blicke nach oben (Jaime: „Nach oben brauchst Du nicht gucken, da gehts nicht zurueck.“). Gut, einer auf der Blume, ok, aber zwei Leute, weiss ja nicht, ob das haelt. „Los, ich fang Dich.“ Es sieht leider so aus: Man hat keine Wahl. Also springe ich ebenfalls und lande auf Alex Kopf, wir rutschen mitsamt Blume etwas nach unten. Jaime haengt noch oben. So verweilen wir ca. 15 Minuten, denn es gibt bislang keinen Folgeplan. Irgendwann wird mir das Ganze zu bloed und zu unbequem („Das hier ist SCHLIMMER, als ruta de la muerte!“), und irgendwie gelingt es mir, den restlichen Felshang runterzurutschen, wobei ich meine Geschwindigkeit mit dem einen oder anderen Grashalm drosseln kann. Unten angekommen lande ich – man glaubt es nicht – auf der Ruta de la Muerte. Waehrend die Mannen noch mit dem Abstieg kaempfen, geniesse ich meine Pause in Ruhe und Frieden und halte uns ein Taxi an. Tacacoma erreichen wir 3 Stunden spaeter als geplant, haben einen Mordshunger, und wir haben Glueck, zum Mittag gibt es Reis mit Kartoffeln und Ei. Auf dem Abstieg zurueck ins Dorf pennen wir drei Stunden am Wassertank. Fazit: Arbeit als Entwicklungshelfer ist weniger schlimm, als keine Arbeit als Entwicklungshelfer.

 

 

Die Weissmachercreme hat uebrigens funktioniert, meine rechte Hand ist deutlich weisser, als die linke. Abends kochen Alex und ich uns Tuetensuppe – attencion: diesmal MISCHEN wir Spinat, Haehnchen und Nudelgeschmack – schmeckt Bombe (Alex: „Ich haenge meinen Job an den Nagel und werde Tuetensuppenhersteller.“), Jaime isst eine Tuete trockene Cornflakes. „Jaime, schnarchst Du?“ „Ja.“

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