Arbeitspraxis in San Borja

Das Schlimme ist, dass es in San Borja so gut wie keinen Kaffee gibt. Nach gefuehlter 3stuendiger Suche (ich WEIGERE mich, den Tag ohne Kaffee zu beginnen) koennen wir einen Miniimbiss mit Nescafe auftreiben, so weit also so gut. Anschliessend besuchen wir ein paar Huehnerzuechter in den umliegenden Gemeinden (die Moppedfahrt ist eine Qual, die „Strasse“ ist so staubig, dass man nach 5 Minuten Fahrt selbst auch zu Staub wird, sehen kann man sowieso nichts, zu allem Uebel treiben sich in dem Staub auch noch Parasiten rum, dazu aber spaeter) und den Buergermeister. Ich haenge in den Haengematten und fuehre ein paar Interviews, waehrend Alex die Gaerten nach Obst und generell Essen absucht (irgendwie peinlich). Wenn wir schon genug Obst haben, haenge ich in den Haengematten und fuehre Interviews, und Alex sitzt daneben und isst Obst. Manchmal gibt es auch Moehren. Die Interviews verlaufen recht unspektakulaer: „Was erwartet Ihr von dem Projekt, wenn es in die zweite Phase geht?“ Grabesstille. Alex hat einen zahmen Papagei gefunden, und laesst ihn sich ueber die Schulter laufen. „Guck hier, Stefanie!“ Ich schwinge einmal nach vorne und einmal zurueck und poche auf eine Antwort. „Leute, wenn ihr nichts erwartet, dann brauchen wir auch keine 2. Phase!“ Stille. Alex kreiselt einen Hund, und freut sich darueber, wie er anschliessend voellig verkreiselt durch die Gegend wankt. „Aber ihr wollt, dass das Projekt verlaengert wird, oder nicht?“ „Claaaaarooo...“ „Also! Was wollt Ihr lernen?“ „Hmmmm. Vielleicht koennen wir ein paar Taschen knuepfen, so wie den Beutel, den Du da dabei hast.“ Hoffnungslos, streiche ich aus dem Protokoll. Der Papagei sitzt mittlerweile auf einem morschen Zweig ueber unseren Koepfen, der bricht ab, und Zweig und Papagei segeln und lautem Gekreische zu Boden.

Bei Dona Teresa: „Hallo Dona Teresa, wir kommen, weil Stefanie Kaffee will!“ Peinlich. Ich korrigiere: „Wir kommen, um zu gucken, wies mit den Huehnern laeuft.“ (Alex: „Gibts hier Mango?“ – anschliessend schlaeft er im Liegestuhl). „Ja, naja, gestern hat ein Alligator drei der 10 Huehner gefressen. Das ist schlecht...“ Alex (ist wieder wach):„Hier, Stefanie, komm her!“ Ignorier ich, und versuche meine Arbeit fortzusetzen. „Ja, das ist schlecht. Was nun?“ „Wir erlegen den Alligator, dann machen wir Hamburger draus.“ Alex erscheint auf der Bildflaeche, um seinen Hals haengt eine Alligatorenhaut: „Mit dem Hamburger muesst Ihr aber warten, bis ich wieder da bin! Am 15. Januar komm ich wieder, dann koennen wir auf die Jagd gehen.“ Auch nichts fuers Protokoll. Wir fahren zurueck nach San Borja, schlafen ne Runde in unserer Haengematte (tuellich wird hier geteilt!), anschliessend ueben wir Ueberschlag in der Haengematte – ein nicht ganz ungefaehrliches Unterfangen. Dann fahren wir zu Dona Ana, die Familie hat sich einen neuen Drucker in La Paz gekauft, Alex installiert den Drucker, ich schmuecke mit den Kindern den Plastikweihnachtsbaum, anschliessend haengen wir noch ein bisschen in der Haengematte, die Fotos aus Haengemattenperspektive sind spektakulaer, probe Weise drucken wir eins der Bilder mit dem neuen Drucker. Funktioniert. Sogar in Farbe.

 

In der allabendlichen Reunion (die eine Haelfte schlaeft, die andere Haelfte saeugt Babys, alle erschlagen mit Lappen Muecken BAATSCH!) ermahnt Alex die Dorfgemeinde zu mehr Sauberkeit bei der Huehnerpflege: „Leute, wir haben ein paar Staelle besichtigt, die meisten -BAATSCH - sind sowas von vollgeschiss...Oh, was ist das?“ In der Mitte des Stuhlkreises landet ein grosser schwarzer Kaefer. „Ha! Guckt Euch den an! Junge, Junge!“ Ich uebernehme: „Wie war das fuer Euch, das ist ja nun das erste Projekt, was sich ausschliesslich an die Frauen richtet, gabs da Eifersuechtel...“ BAATSCH – ich kriege einen Lappen ins Gesicht geklatscht. „...eien?“ BAATSCH! Kann die Antwort nicht verstehen, weil die Lappen zu laut knallen. Fuers Protokoll denk ich mir was aus. „So Stefanie, was nun? Fahren wir zu Dona Teresa und gucken, ob es da was zu Essen gibt?“ NEIN! Auf mich hoert keiner, also fahren wir zu Dona Teresa und gucken, ob es da Essen gibt. Gibt es. Peinlich. Ich verschwinde auf Toilette, anschliessend ist es klar an der Zeit zu fahren, ich schwinge mir meinen Beutel um, Alex kiechert, „Was gibts da zu kiechern?!“ – aus meiner Tasche gluckst ein verwirrtes Huhn... Soviel zur Arbeitsspraxis in San Borja, die naechsten 5 Tage verlaufen aehnlich, Alex heult regelmaessig ueber seine Zahnschmerzen von Tag 1, an einem Tag kaufen wir uns Klamotten, am letzten Morgen finden wir unseren Kaffeeimbiss nicht wieder, irren uns in der Tuer und landen in einem privaten Wohnzimmer. Auch wieder peinlich. Nach vollbrachter Arbeit trennen sich unsere Wege, Alex will nach Cochabamba, ich nach Rurrenabaque, denn ich habe beschlossen, die wohlverdienten Weihnachtsferien im Dschungel zu verbringen.

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