Der Biss -oder: Das Inferno

12:00 Mist! Mich hat was gebissen! Scheisse! Eine „Buna“. Ausgerechnet! Hat ihr hoellenhaftes Gift in meinen Fuss gepumpt. Das wird schlimm. Tapfer erwarte ich das Inferno.

12:05 Es tut weh. Hoellisch weh. Und ich weiss, das ist noch nichts im Vergleich zu dem, was auf mich zukommt. Und das Schlimme ist, Du weisst es.

12:20 Gib mir die Machete, bitte bitte, damit ich mir den Fuss abhacken kann!

12:45 Ablenkung, Ablenkung! Ich beisse mir in den Arm, bis es blutet, aber das tut leider gar nicht weh.

13:00 Ich brauche Alkohol. Ich muss mich ins Koma saufen!

13:15 Oh, schoene Aussicht. Ich schiesse ein Foto und verecke vor Schmerz!

13:30 Ich will Klopapier essen!

13:40 Du wuerdest ALLES tun, damit der Schmerz aufhoert!

13:30 Ich winde mich von links nach rechts nach links. Mach, dass es aufhoert, der Schmerz! Gebt mir die Machete!

13:45 Drogen! Ich brauche irgendeine Droge, die mich komplett weghaut!

13:55 Ich versuch es mit progressiver Muskelrelaxation. Der Schmerzesschweiss laeuft mir aus jeder Pore. Nach1 Minute geb ich auf

14:15 Ich zerbeiss mir die Zaehne an der Plastikflasche

14:25 Was ist besser, Fuss nach oben, oder Fuss nach unten? Beides schlimm!

14:40 Gebt mir ein Messer, damit ich mir wenigstens den Arm aufritzen kann!

14:55 Haare ausreissen ist eine gute Idee

15:10 „Stefanie, wie gehts?“ Lass mich, ich bin der Hoelle!

15:15 Ich versuche den Schmerz auszukotzen. Funktioniert nicht!

15:30 Ich verdreh die Augen, bis ich nichts mehr sehen kann und hoffe, dass es hilft. Tut es nicht!

15:35 Ich muss es abbinden, abschnueren! Machts schlimmer!

15:47 Ich beisse Loecher in mein Tshirt. Nein, ich will nichts trinken!

15:55 Durst! Ich verrecke vor Durst!

16:10 Ich lutsche Zahnpasta

16:17 Ich wuerd mich gern duschen!

16:25 Du musst ganz still liegen. Entspann Dich! Dann wirds besser!

16:34 Ich will schreien und kreischen und bruellen!

16:40 Ich zerbeisse die Shampooflasche

16:45 Ich bin in einem fernen Universum

16:55 Ich reisse mir mein Tshirt vom Leibe und zwaenge mich wieder hinein.

17:00 Gut zurreden. Das haben schon andere ueberstanden

17:07 Warum zum Teufel werde ich nicht ohnmaechtig?!

17:15 Auf die Atmung konzentrieren!

17:30 Ich esse den Stift

17:38 Was ist besser, weniger Gewicht, oder mehr Gewicht? Beides schlimm!

17:45 Stossatmung hilft vielleicht. Tut es nicht!

17:50 Mein Koerper verkrampft sich, ich werde von eiseskalten und feurig heissen Schauern geschuettelt, aus denen schwarzer Rauch aufsteigt.

17:55 Der schwarze Rauch nimmt eine unfoermige Form an, und auf einmal kann ich dort im Rauch eine Gestalt ausmachen, die immer mal wieder nach etwas aussieht, und dann wiederum immer mal wieder nach nichts aussieht (sie ist da, sie ist weg, sie ist da, sie ist weg, sie ist da). Und doch erkenne ich, dass sie mich heranwinkt „folge mir, folge mir“ und drum folg ich ihr. Ich wate in den Rio Beni, denn ich glaube, dort wird mein Schmerz von der Stroemung erfasst und fortgespuelt. Doch dann ertoent Rolandos Stimme, ganz dumpf und weit entfernt, doch ich kann ihn hoeren, und er sagt: „Eines musst Du Dir merken, ueber die Geister des Dschungels. Die weissen Geister, die sind gut, sie helfen Dir und gewaehren Dir Schutz. Aber huete Dich vor den schwarzen. Die sind gefaehrlich und gierig und boesartig, huete Dich davor, ihre Luft einzuatmen, denn denjenigen, die ihre Luft atmen, wird Furchtbares widerfahren. Sie sterben auf der Stelle, oder ihnen wachsen graessliche Tumore, oder es geschieht ein schreckliches Unglueck.“ Doch da ist es schon zu spaet, denn der schwarze Rauch ist bereits in meinen Koerper eingedrungen.

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