Auf dem Weg nach San Borja

„Auf dem Weg hier hab ich ja schon manchmal ein bisschen Angst, aber dann faellt mir wieder ein, dass der Busfahrer betrunken und zugekokst ist, und schon gehts mir besser.“ Alex und ich befinden uns in in der letzten Reihe eines „Original Militaerbusses aus den 50ern“ auf der hoellenhaftesten Todesstrasse, die mir bislang untergekommen ist, und zwar von La Paz auf dem Weg zu einem Huehnerprojekt in San Borja. „Hier“ Alex fuchtelt aufgeregt nach links und rechts in den Abgrund „fallen die meisten Busse. Wenn wir das hier hinter uns haben, kommt nur noch ein Todesabschnitt, aber wenn wir Glueck haben, schlafen wir dann schon. Ha! Guck Dir das an, siehst Du, wie tief es da runter geht! Mann mann mann!“ Ich lehne mich zurueck und zerquetsche dabei seine Nase, die er hinter meinem Ruecken an die Scheibe geklebt hat (ich wuenschte, er wuerde einfach mal auf seinem Sitz sitzen bleiben...). „Uff! Autsch!...Mann mann mann, und guck mal, zwischen uns und dem Abgrund sind keine 2 Zentimeter, guck!!!Boah! Schlagloch! Mann mann mann, der faehrt ganz schoen schnell, scheint mir ein Verrueckter zu sein, unser Busfahrer! Boah, guck mal da runter!! Uff! Schlagloch! Stell Dir das mal bei Regen vor!“ Hoer auf, an mir rumzuzerren! Uns kommt ein Lastwagen entgegen...Wir fahren rueckwaerts...“Weisst Du, warum wir hier immer auf der linken Spur fahren? Unlogisch eigentlich, ne? Man sollte ja meinen, rechts am Felsen ist es sicherer.“ Ne, warum? „Weiss ich auch nicht.“ Tatsaechlich ist es so, dass dies die einzige Verkehrsstrecke im Land ist, wo die Busfahrer soviel 100% Alkohol und Koka konsumieren duerfen, wie sie wollen („damit wir nicht fallen“.). Die Logik erschliesst sich mir nicht ganz. „Wenn wir fallen, und Du ueberlebst, und wir beide wissen, dass ich sterben muss, und ich leide furchtbare Qualen, wuerdest Du mich umbringen, wenn ich Dich darum bitte?“ Ich schiebe Alex zurueck auf seinen Platz und versuche Ablenkung in den Weintrauben zu finden, die wir uns als Wegzehrung aus La Paz mitgebracht haben. Wir haben ausgerechnet: Pro Stunde darf jeder eine Weintraube essen, dann haben wir genug, bis zu unserer Ankunft in San Borja. „Stefanie, schreib doch mal ein Gedicht ueber die Todesstrasse!“ Keine Frage, das werde ich, mein Lieber, das werde ich. Alex haengt wieder ueber meinem Sitz, Konsequenz: Im naechsten Schlagloch knallen unsere Koepfe mit praller Wucht gegeneinander, ich glaub ich hab ne Gehirnerschuetterung. Das Gute ist, dass Alex von dem Schlag benommen ist, und die naechsten 5 Minuten die Klappe haelt. Gegen 21:30 Uhr halten wir in irgendeinem Kaff (wohlgemerkt der einzige Halt auf der 18 Stunden Fahrt, der olle Militaertruck hat selbstredend KEINE Toilette), und Alex zueckt die Pulle Pisco, die er auf meine Bestellung hin am Wochenende aus Peru mitgebracht hat. Ich beschliesse, dass es an der Zeit ist, sich zu betrinken, um dann fuer den Rest der Moerderfahrt in einen tiefen Schlaf zu verfallen. Funktioniert leider nicht, weil Alex ohne Punkt und Komma sabbelt und weiterhin an mir rumzerrt. Um 4:00 Uhr morgens ist die Tortur ueberstanden, schlaflos fahren wir in San Borja ein, ich bin mittlerweile willens- und emotionslos. Ich starte einen klaeglichen Versuch: „Heute muessen wir aber nicht arbeiten, oder?“ „Claro arbeiten wir!“ Na claro...Das Klima in San Borja ist eine Wonne, tropisch warm und Dschungelmaessig und endlich runter von den beknackten Bergen, 200m ue. N.N. Soweit also so gut. Dummer Weise hat Alex den Schluessel zu unserer Unterkunft v-e-r-l-o-r-e-n, deshalb muessen wir den Dueno um diese peinliche Uhrzeit aus dem Bett klingeln. Die Laune ist entsprechend. „Ingeniero, wo ist dein Schluessel?!“ „Oh, den hab ich leider verloren, Senor.“ „Das ist der 5. Schluessel, den Du verloren hast!“ „Ja, darf ich Dir die Kollegin Stefanie vorstellen?“ Ich versinke im Erdboden. Zu mir:„Nur, das eins schon mal klar ist, Du kannst in meinem Zimmer machen was Du willst, aber MEINE Haengematte gehoert MIR, und da schlaeft keiner drin, ausser MIR!“ Jaja, schon klar. Man wird sehen...Wir pennen von 5:00-7:30, dann gehts an die Arbeit. Die verlaeuft mal wieder anders, als erwartet.

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