Die Hoelle von Tacacoma

Pulsierende Venen fressen sich durch schwarzes Gestein. Aus den Wunden der Berge sprudelt weisses Blut, dessen schaeumender Strom reisst formlose Krater in den Fels. Und dort, wo der Berg endet, und der Abgrund beginnt, dort stuerzt sich die Flut tosend in die Tiefen, die kein Ende finden, denn in einer raumlosen Welt zwischen Himmel und Hoelle gibt es keine Erde und keinen Boden. Dort, wo Nebelgeister Dich erblinden lassen, und wo das letzte Licht erloschen ist, dort, wo eine dumpfe allumfassende Stille jeden Laut verschlingt, und wo der letzte Ton verstummt ist, dort schlaeft im Fels seit 1000 Jahren ein steinerner Riese. Gib Acht, dass Du ihn nicht weckst, denn immer wenn er erwacht, dann erinnert er sich daran, wie hungrig er eigentlich ist, dieser Hunger, unersaettlich ist er, denn der Riese naehrt den Berg, und damit der Berg leben kann, muessen andere sterben. Wenn der Riese erwacht, dann frisst der Riese Menschenfleisch und Traeume und Hoffnungen. Und abertausende verlorene Seelen schwirren orientierungslos, in Form transparenter, Schmetterlinge, durch das finstere Gehaeuse einer unheimlichen Zwischenwelt, in der es kalt und feucht ist, so dass sie stets frieren muessen. Wenn sie ihre glaesernen, farblosen Fluegel schlagen, dringt ein sureales Surren durch die Stille.

 

Wir befinden uns an einem gottlosen Ort, vergessen von Mensch und Menschlichkeit, wo es keine Regeln gibt und keine Gesetze, wo Leben zu Stein wird und Stein zu Leben. Ein Ort, an dem Kaelte und Dunkelheit regieren. Ein Ort, an dem der Mais verkuemmert und die Huehner sterben und das Wasser kontaminiert ist, von dem goldenen Gift der Berge. Dort, wo Maenner ihre Frauen vergewaltigen und Kinder mit versteinerten Gesichtern in versteinerten Mienen schuften. Wo Parasiten Loecher in leere Maegen fresse, wo es dreckig ist und die Ratten die Herrschaft uebernommen haben. Umschlossen von einer dichten, undurchdringlichen Nebelwand, ein Ort, aus dem es kein Entrinnen gibt. Und denen, denen es gelingt, die Nebelwand zu durchbrechen, die finden doch keinen Ausweg aus der Hoelle. Du kannst sie sehen, die Kinder, die keine Kinder sind, in La Paz, wo sie als kleine schwarze Gestalten – eingehuellt in Smogwolken – in Dreck und Guelle kauern und zu von alten, billigen Lautsprecherboxen verzerrten repetetiven Andenrythmen tanzen. Monotone, repetetive Bewegungen, ausdruckslos , so als wuerde ein unsichtbarer Puppenspieler mit toten Marionetten spielen.

 

Und niemand weiss so genau, was in dem Nebel lauert, und niemand weiss so genau, wo die Nebelwelt aufhoert und die Hoelle beginnt. Geruechte und Stimmen und Geschichten, die sich im Dunst verlaufen, denn diejenigen, die sie erzaehlen koennten irren durch ein unendliches Labyrinth zerbrochener Traeume, in dem sie nicht sehen koennen, und ihre Stimmen verhallen im im dumpfen Nichts der Berge. Und die Berge sind weit, und der Nebel ist dicht, und nur die Nebelgeister und die Hoehlentrolle kennen den Weg, aber sie verraten ihn Dir nicht.

 

An diesem Ort des Verderbens fallen nachts die Sterne vom Himmel, und mit jedem Stern, der erlischt, gibt es ein bisschen weniger Licht und wird es noch ein bisschen dunkler.

 

Ich weiss nicht, wie ich hier hergekommen bin. Eine Witzfigur mit einem Meerschwein unterm Arm.

 

 

Fortsetzung. folgt.

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